Einzigartig: Marubi – eine Fotografenfamilie

Laut Wetterbericht sollen es die letzten warmen Tage des Jahres werden…

     (Foto anklicken und gross gugge)


Die Einladung kommt recht spontan: „Ich habe in Skadar (albanisch: Shkodër, italienisch: Scutari) etwas zu erledigen, kommst du mit?“
Die Antwort folgt ebenso spontan. Shkodër liegt am Scutari-See ganz in der Nähe der montenegrinisch-albanischen Grenze, eine Stunde von der Dunkelkammer entfernt.
Wir fahren unter einem Himmel schmutzig graumilchiger Wolken am herbstlich dunstigen See entlang. Die Abfertigung an der Grenze geht rasch und bald erreichen wir die Stadt am See. Kreuz und quer schieben sich Fahrzeuge aller Art im Verkehrsgetümmel durcheinander. Menschen laufen auf den Strassen. Ein Pferdefuhrwerk kommt uns im Kreisverkehr entgegen. Die Polizisten nehmens gelassen, drehen sich um und stoppen einen LKW zur Kontrolle. Gemüse wird direkt vom Fahrrad herunter verkauft.
Mein Interesse gilt den Marubis. Genauer: Pietro, Kel und Gegë. Photographen alle drei. Die veraltet anmutende Schreibweise hat in ihrem Fall selbstredend ihre Berechtigung. Pietro, der sich später Pjetër nennt, wird 1834 in Piacenza / Italien geboren und stirbt 1905. Aus politischen Gründen verlässt er Italien 1856 mit einer Kamera und lässt sich in Shkodër nieder. 1858 macht er (vermutlich) die erste Photographie, die in Albanien aufgenommen wird. Kinderlos, adoptiert er später seinen jungen Mitarbeiter Kel (1870-1940), dem er sein Fotostudio vermacht. Jener wiederum hat einen Sohn, Gegë (1909-1984), der die Familientradition ebenfalls fortsetzt.
Einzigartig ist das Werk der drei Photographen. Ca. 150.000 Glasplatten und Negative dokumentieren über eine Zeitraum von hundert Jahren albanisches Leben und die Geschichte des Landes in all den vielfältigen Facetten. Landschaften, Architektur und Portraits von Menschen aller Bevölkerungsschichten. Alle nur erdenklichen Ereignisse – öffentliche und private – werden so photographisch festgehalten und ergeben ein imposantes Panorama eines weitgehend unbekannten Landes.
Als die Kommunisten nach dem Zweiten Weltkrieg die Macht übernehmen, schliesst Gegë Marubi 1946 das Photostudio „Dritëshkronja Marubi“ (Photographie Marubi) für immer. Fortan widmet er sich der Konservierung und Archivierung des riesigen Konvoluts von Negativen und Photographien und vermacht es in den 1970er Jahren schliesslich dem albanischen Staat.
In Skhodër gibt es seit 2001 ein Museum für die Werke der Familie Marubi, die „Fototeka Marubi“. Die ausgestellten Photographien will ich mir in Ruhe ansehen.
Bis es soweit ist, kommt allerdings leichte Unruhe auf. Es stehen zwar Wegweiser im Stadtzentrum, aber ich kann das Museum nicht finden. Ich scheine es zu umkreisen. Ein Taxifahrer gibt mir den Tipp, in einer der zahlreichen Wechselstuben zu fragen. Man zeigt mit dem Finger auf eine Toreinfahrt. Kein weiterer Hinweis auf ein Museum, was solls, ich versuche es. Gehe durch die Toreinfahrt in einen trostlosen Hinterhof. Kleiner Durchgang am Ende. Korridor. Rechts ab. Und stehe vor einer Treppe. Oben die offene Tür, zwei Flaggen. Da ists. Ich steige die Treppe hoch und stehe in einer Art Flur. Das Museum. Schon beim anschauen der ersten Photographien weicht die aufkeimende Enttäuschung. In der Ausstellung befinden sich leider nur 58 Photographien. Aber alle sind in ihrer Art einzigartig schön.
Eintrag ins ausliegende Gästebuch. Ich kaufe den gut gemachten Katalog und gehe wieder. Der Besuch ist auf alle Fälle lohnenswert!
Auf dem Rückweg sehe ich dann noch ein grosses buntes Bild.


 

 

 

 

9 Gedanken zu „Einzigartig: Marubi – eine Fotografenfamilie

  1. Oha, ist ja wirklich schwer zu finden. Wenigstens erhalten sie solche Zeitzeugnisse, es wäre schade wenn so etwas verloren gehen würde.
    Bild 6 ist doch die neue deluxe Variante von Mercedes^^

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  2. Ja, alle gesternin Shkodër aufgenommen. Wer die Grenze überschreitet, macht einen Zeitsprung rückwärts. Fünfzig Jahre? In den Städten vielleicht nicht. In bestimmten Regionen könnens vielleicht auch 70 Jahre sein.
    Alleine als Frau ist vielleicht das kleinere Problem als die Sprache. Islam auf dem Balkan ist was anderes als anderswo. Ich wills jedenfalls kennenlernen.

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  3. Den Eingang des Museums könnte man etwas weniger verstecken, von innen macht das ja einen recht aufgeräumten Eindruck. Ich frag mich allerdings wie viele Menschen sich dahin begeben um alte albanische Fotografien zu bestaunen, etwas abgelegen ist das ja schon.
    Das erste Foto trifft übrigens meine (rudimentären) Vorstellungen von Albanien ziemlich genau.

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  4. Das beste: die Wegweiser in der Umgebung weisen in verschiedene Richtungen – nur nicht zur Fototeka. Shkoder ist durchaus 20. Jahrhundert, aber in Albanien solls noch Regionen geben….
    Ab nächsten Jahr werde ich mit unseren besuchen diese Stadt regelmässiger besuchen…

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