Wenn die Wärme im Frühling verwirrend schnell kommt

Nach vielen Chansons und Schmonzetten der 20er Jahre und dem gloriosen Hermann Leopoldi…
 
Heute Nacht muss jemand durchgearbeitet haben. Schon beim Aufwachen war klar, dass sich etwas verändert hat. Der Himmel, die Sonne und überhaupt: die Temperatur. Die lockere Ansage eines Nachbarn vor einigen Tagen schien wahr geworden zu sein. Der Frühling ist da. Und zwar überwältigend. Menschen flanieren in den Strassen und die hurtigen Kellner in den Cafés haben alle Hände voll zu tun. Ich muss einige Kleinigkeiten besorgen und da ich zu Fuss unterwegs bin, wird mir schnell warm. Beim Laufen in der Hauptstadt schweifen mir meine Gedanken sommerfreudig voraus…
Vielleicht kennt einer der Besucher die Estremadura im spanischen Hochland. Daher stammten die berüchtigsten Conquistadores. Oder auch Mexiko, möglicherweise auch die wüsten Gegenden Arizonas oder eine andere dieser unwirtlichen, weithin verlassenen Gegenden. Wer dort reist kommt dann und wann durch eines dieser elenden staubigen Käffer. Wie eine sehnsüchtige Narbe zieht sich die einzige Strasse zwischen den heruntergekommen Gebäuden durch … Wenn nicht unbedingt nötig, dann keinesfalls anhalten, nix wie weg und weiter, nur nicht den Fuss vom Gas nehmen . . . Dreck und Staub … Vor uns liegt noch eine lange Strecke.
In diese Bilder gerät mir eine Geschichte von Ween, ein Text zu einem Lied, das mir noch immer sehr gut gefällt. In der warmen Sonne durchweben sich die Musik, der Text und die Bilder…
Missmutig und schwerfällig liegt der Schankwirt, der alte Fettsack vor der runtergekommenen Cantina in seiner wurmstichigen Hängematte. Dahindösend räkelt er sich durch die Mittagshitze. Die alte Lucia hinterm Haus dreht einem Huhn den Hals um für eine plato paisa zum Abendessen.
Die restlichen Häuser scheinen allesamt verlassen. Nichts bewegt sich hier ohne zwingenden Anlass. Zwischen den gelegentlichen Windstössen sind nur die Bohnenblähungen aus der Hängematte zu hören . . . Drinnen in der düsteren Schankstube sitzt ein Typ in der hinteren Ecke alleine am Tisch. Seit gestern schon sitzt er da. Auf dem Tisch vor ihm steht der Teller mit den angetrockneten Bohnenresten, die Branntweinflasche daneben ist halbleer. Mit den Bohnen und dem Brandy sind ihm seine Pläne vollends abhanden gekommen. Auf dem Stuhl wippt er seit einer Stunde nicht mehr. Die verschmierte Tischplatte hält seinen Blick im Schach. Keine Windstösse mehr draussen auf der Strasse. Die grosse Lähmung ergreift alles und jeden. Der junge Mann in den abgewetzten Klamotten greift quer über sich an die Wand. Er nimmt die Gitarre vom Nagel. Eine Saite fehlt, wen störts weiter? …
Er wiegt die Gitarre in den Händen und rotzt den letzten Stummel seines zerkauten Cigarro aus dem Mundwinkel Richtung Theke. Sacht fängt er an zu klimpern. Im Dunkel neben der schäbigen Theke regt sich Leben. Der klapprige Fernando drüben auf dem abgewetzten Sofa blinzelt verstört im Schlaf, leckt sich über die Lippen, atmet einmal sehr tief durch und faltet die Hände überm Bauch. Sein Hemd hat bessere Zeiten gesehen. Der rasselnde Atem wird bei der Melodie gleich ruhiger. Von hinterm Haus hört man die alte Lucia. Sie redet leise auf das Huhn ein, dass kopflos noch immer mit den Flügeln schlägt.
In die Hand des Gitarrenspielers kommt langsam Bewegung. Der fette Wirt vertreibt die verdammte Fliege aus dem Gesicht, die sich nichtmal auf seiner fettverschmierten Schürze  niederlässt. Leise fängt der Typ drinnen in der Cantina an zu singen.
Schönen Nachmittag Freund
Hola, mein guter Freund
Cinco de Mayo es ist Dienstag
Und ich hoffte, wir würden uns wiedersehen
Letzten Winter hast du meinen Bruder abgemurkst
Du hast ihm drei Mal in den Rücken geschossen
Nachts höre ich Mama noch immer weinen
Oh Mama geht noch immer in schwarz
Ich habe bei jeder Fiesta nach dir Ausschau gehalten
Ich wollte dich begrüssen und
Vielleicht hätte ich dir ein Hühnchen angedreht
Das Fleich mit Gift durchtränkt
Du . . . du siehst aus wie mein Bruder
Mama hat ihn am meisten geliebt
Er war der Obergockel bei den Damen
Mama sagte immer, er wäre gesegnet
Das Kaff stand um ihn rum
Die konnten nicht glauben, was sie da sahen
Ich sagte, dass du ihn umgebracht hättest
Und dass ich dich finden und für Gerechtigkeit sorgen würde
Die Leute im Dorf, die glaubten mir
Mama… sie wollte Rache
Ich sagte ihr, ich würde ihre Ehre wieder herstellen
Ich würde dich finden und ins Jenseits befördern

Gut jetzt . . . jetzt, wo dich gefunden habe

An diesem Freudentag
Und ich sag dir, dass ich das war, der ihn niedergeschossen hat
Aber die Wahrheit muss ich niemals sagen müssen
Schönen Nachmittag, Freund
Hola mein guter Freund
´s ist Dienstag, der fünfte Mai
Und ich hoffte, dass wir uns wiedersehen würden
Klar, ich hatte so gehofft, dass wir uns wiedersehen würden.

Der Text „Buenas Tardes Amigo“ ist im Original englisch und stammt von der Gruppe Ween und ist 1994 auf dem Album „Chocolate and Cheese“ erschienen.

Beide Fotos *.jpg OoC, aufgenommen mit einer Casio Exilim Klicker. Foto anklicken macht Fotos grösser.
Allen Besuchern einen schönen Sonntag.

7 Gedanken zu „Wenn die Wärme im Frühling verwirrend schnell kommt

  1. Natürlich muss es grammatisch richtig „buenas tardes“ geschrieben werden. Ich bin da Textseiten im Netz aufgesessen. Hab mich zwar gewundert, aber… nun ist das richtig gestellt.

    Ooch ich kenne einige, die mit solchen Hüten auf ihren Köpfen durch die Landschaft laufen – sogar in Mitteleuropa 😉

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  2. Schöner Endzeitwestern *galoppelgaloppel* und schönes Stück, die Scheibe sollte ich mal wieder rasukramen. Bei den Bildern bedaure ich immer mehr, dass Du nicht damals schon gebloggt hast.

    Der Frühling hält auch hier langsam Einzug, allerdings dürften die Temperaturen (noch) nicht vergleichbar sein.

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  3. Ich habe mehrere tausend Fotos bereits von diversen Festplatten weggeputzt. Du hast wenig versäumt. Wenn mir allerdings hin und wieder die Vergangenheit aufsteigt, denke ich gerne an dich *g*

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