Das war der Hammer

Passt zum derzeitigen Projekt: Schmetterlinge – Proletenpassion…

Mal eben schnell zu einem Interview. In Bad Frankenhausen auf dem Blutberg. Dort steht das Panoramamuseum. Einzigartig. Wo gibt es im Zeitalter von 3-D Kinos und realitätsnahen Blutbädern selbst auf den Bühnen der Theater noch Panoramen, um die Gemüter der Betrachter zu erregen. Seinen Höhepunkt erlebte das Panorama im ausgehenden 19. Jahrhundert. In fast jeder grösseren Stadt, die auf ihr Image hielt, stand das Publikum vor einem Panorama Schlange, um die gebotene Attraktion zu sehen. In den Panoramen waren Gemälde ausgestellt, die dem erstaunten Betrachter Ereignisse aus der grossen weiten Welt nahe brachten. Städteansichten, Schlachten oder Szenen aus der Geschichte wurden auf riesigen Rundgemälden präsentiert.
Das Panoramamuseum in Bad Frankenhausen steht auf geschichtsträchtigem Boden. Auf dem Blutberg hatten sich die Bauern unter Führung von Thomas Müntzer in einer Wagenburg verschanzt. Rund um den Berg waren zwei gut ausgerüstete gegnerische Heere aufmarschiert. Fast achttausend Bauern wurden am 15.5.1525 innerhalb kurzer Zeit zermetzelt und abgeschlachtet. In einen Einschnitt am Abhang des Berges warf man die Leichen. Blutrinne ist ein treffender Name für diesen Ort unsäglicher Trauer. Thomas Müntzer wurde gefangengenommen, leibpeinlich unter der Folter verhört und am 27.5.1525 in Mühlhausen enthauptet.
In der Zeit von 1976 bis 1987 wurde das Panoramamuseum erbaut für ein Rundgemälde von Werner Tübke (kennt den ein Leser?), das die Ereignisse jener Zeit darstellen soll. Es gilt als das grösste Rundgemälde der Welt: 14 Meter hoch und 123 Meter lang, das sind satte 1700m². Dreitausend Figuren sind zu sehen und unzählige Allegorien, Metaphern und Anspielungen auch auf die heutige Zeit und somit so aktuell wie gültig. Zeitlos und absolut sehenswert. Wer weiss, wie lange dieses Museum noch zu sehen sein wird. Für die geschichtspolitischen Intentionen der BRD ist es wertlos, wir haben ja „unseren Luther“. Der wendehalsige Bauernverräter ist uns eben näher als der Mann, der gegen die adligen Herrschaften konsequent bis zum Letzten Widerstand leistete.
Meinen allerherzlichsten Dank an meine freigiebigen Mühlhäuser Gastgeber. Ihr habt es euch selbst zuzuschreiben, wenn ich wiederkomme. Für das Panoramamuseum reicht ein schneller Rundgang keinesfalls aus und eure Gastfreundschaft war einmalig.
In dieser Kirche in Mühlhausen predigte Thomas Müntzer. Seine auf deutsch gehaltenen kraftvollen Predigten begründeten dort seinen Ruf vom Müntzer mit dem Hammer.


16 Gedanken zu „Das war der Hammer

  1. Hmmm… auf dem Berg kann man also in Blut baden, soso.
    Scheint eine Art „Wellnesshotel“ für Vampire und andere Psychopathen zu sein.

    Bei längerem Betrachten des Bildes von dem Hotelkomplex verfestigt sich mein anfänglicher Eindruck auch mehr und mehr. 😉

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  2. Na ich kenne den natürlich. 😉 Tübke, Sitte, Heisig. Das waren die bekanntesten Maler in der DDR. Tübke wegen des Panoramas, Sitte (mir) wegen des Gewandhauses in Leipzig (das Deckengemälde stammt allerdings von Gille) und Heisig als Vertreter der sogenannten Leipziger Schule sowieso. Oh. und da gabs noch einen, Mattheuer, ich glaube die Plastik der Jahrhundertschritt vor dem Zeitgenössischen Forum in Leipzig ist von ihm

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  3. Nein, Werner Tübke ist mir auch nicht geläufig. Ich weiss nur, dass in Leipzig und Dresden Panoramen eines aktuellen Künstlers zu bestaunen sind (einmal die Dresdner Altstadt, einmal ein Regenwaldpanorama). Und in unserem wunderschönen Frankfurt am Main 🙂 gab es damals am 'Hippodrom' Panoramenausstellungen. Die Menschen müssen in Scharen diese Werke bestaunt haben…

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  4. „Als bloßes Propagandainstrument ist mir die Kunst zu schade.“ sprach Tübke einst im Interview von TTT in der ARD als ihm der Klassenfeind in Gestalt von (ich glaube Lothar Löwe oder Fritz Pleitgen)vorhielt, ob auch er nun ein Judas geworden sei, der dem Sozialistischen Realismus auf den Leim kriecht um einen revolutionären Großauftrag zu erhaschen. Tübke war schon vor dem Panoramaauftrag ein Name in Kunstkreisen, weil er im Renaissancestil malte und seine Werke somit immer herausstachen aus der üblichen Optimismusbleiche der Bauarbeiterhelme und Ingenierkittelträger in gleißenden Werkhallen der „neuen Zeit“.

    Sollte das Panorama wirklich eines Tages verschwinden, wäre das die Steigerung der Bilderstümerei a la Palastabriss zu Berlin. Das Bild ist Top und vermeidet Tübketypisch vordergründige Revolutionsverherrlichung indem es ein Epochengemälde wurde.

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  5. Hmmm, da fehlt der Panoramakugelkopf um das mal komplett abzulichten *g*.
    Aber wahrscheinlich ist das 1. verboten und 2. sollte man sich das wohl wirklich im Original ansehen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man das einfach „verschwinden lassen“ kann. Heutzutage soll es selbst bei alten Rangierbahnhöfen Proteste aus der Bevölkerung geben *g*

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  6. Also … das Foto mit seinem bedrohlich-düsteren Wolken ist wieder mal einwe großartige Illustration zu diesem dunklem Kapitel deutscher Geschichte … ich bin begeistert !

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  7. Beim alten Bahnhof siehts hier ganz schlecht aus.
    Auf alle Fälle ist das Panoramamuseum einen ausgedehnten Besuch wert.
    Vor allem aber: Geschichte kann man verschwinden lassen. Wieviel von gestrigen Zeiten können wir denn heute noch sehen?

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  8. Das Panoramamuseum wird früher oder später auf die eine oder andere Weise verschwinden. Die einfachste: Warten bis gravierende Restaurierungsarbeiten anstehen und dann keine Gelder zur Verfügung stellen. Das Bild entfernen und irgendwo in einem Archiv einlagern. Den Museumsbau dann einem neuen Investor mit anderen Intentionen zuführen oder sperren und zusammenfallen lassen.
    So wird Geschichte gemacht!

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