Fassaden einer anderen Stadt

Die musikalische Morgenbegleitung passt: Calexico – Ancienne Belgique. Live In Brussels (2008)…

Drei Tage Hauptstadt. Termine. Dauerregen. Und obendrein das Treffen von sieben Flaschen. Sie sind sich einig.
Die achte Flasche darf nicht mitreden. Den Menschen nutzt das Treffen wie gewohnt nichts. Sie müssen arbeiten.
Die Innenstadt heisst Umleitung. Metrostation geschlossen, die Buslinien folgen anderen Routen. Es dauerregnet.
Grauhimmels Trauertuch trostlos.
Und dann scheint es fast ein Wunder. Himmelwärts blaufetziges Aufbegehren. Sonnenstrahlen zwischendurch. Ein
Fussmarsch
vom Morgen bis zum späten Nachmittag. Wenige Stationen sind geplant. Der Second Hand Laden für
photographische
Apparate und Altglas sorgt gleich zu Beginn der Stadtwanderung für verschärfte Schwindelgefühle.
Traumblasen
wabern durchs Blickfeld. Eine dieser alten Grossformatkameras. Jetzt und sofort. Zu meinem Glück
meldet sich der Verstand: du bist doch auf der Suche nach
Fassaden. Schon beim Verlassen des Ladens weitet
sich der Blick erfreulich. Fassaden. Brüssel bietet
verwirrend fantastische Ansichten. Doch angesichts der Linienvielfalt
setzen erneute Schwebegefühle ein. Selbst
der Besuch im Museum von Monsieur René Magritte schafft keine
Linderung.
Draussen auf den Strassen tummeln sich inzwischen viele Menschen. Balkanische Szenen sorgen für
einsetzende
Erdung. Und endlich: Die Schrift über einem Geschäft – Biertempel. Genau, ein Bierchen soll Abhilfe
schaffen. Zwei Gassen weiter in der Altstadt stehe ich vor einer Institution der Branche:
A la morte subite“ – Zum
plötzlichen
Tod. Eine altehrwürdige Brauerei. Ich bestelle ein Chimay bleue aus der Trappistenabtei Notre-Dame
de Scourmont. Ungemein wohltuend und überaus süffig. Aus einem Glas trinkt man nicht oder so ähnlich. Die
Schwerelosigkeit des Morgens will trotz des Bieres (oder gerade wegen?) nicht weichen. Einen kleinen Imbiss als nachgereichtes Fundament. Und wieder raus auf die Strassen und ins Getümmel bevor Schlimmeres passiert.
Die Sonne scheint. Fassaden, Fassaden. Merkwürdig schöne Fassaden. Kunstwerke. Verwirrende Fassaden.
Am späten Nachmittag bei einem Espresso in einem kleinen Strassencafé. Ein Tagesmarsch durch die Stadt
schafft eine angenehme Müdigkeit und Schwere. Die erste Revision ist erfreulich. Einige Aufnahmen scheinen
gelungen. Obwohl, mit einer Grossformatkamera….

(Foto anklicken, gross gugge und in der Galerie langsam abheben)

24 Gedanken zu „Fassaden einer anderen Stadt

  1. Was hat es mit den schwimmenden Flaschen für eine Bewandnis? Eine Flaschenpostinvasion ähnlich der Liebesschlösser an Brücken? Oder einfach nur dahintreibender Müll? A La Mort Subite – das würde mir auch gefallen!

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  2. Treibmüll in einem Flachstbrunnenbecken zwischen all den archtiketonischen Wundern der EU-Gebäude ringsum.
    „A La Mort Subite – das würde mir auch gefallen!“ – in der Tat wäre das gediegener Ort für ein gediegenes Treffen, nur schade, dass es dort keinen einzigen Tropfen Äppler gibt…

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  3. Pingback: Alles nur Fassade | Herr Ärmel: Fotografie und Text

  4. Oh, ich wünschte mal wieder, ich wäre mitflaniert. So langsam faszinieren mich Stadtflüchtling doch diese Menschengroßansiedlungen wieder. Natürlich nur mit entsprechender Reisebegleitung. Nach den Schwimmflaschen hätte ich auch gefragt, mutmaßte allerdings schon den mülligen Hintergrund. Nicht fragen muß ich nach dem Zweck des Blumenstuhles, der hat seine Rumstehberechtigung aus sich selbst heraus. So, jetzt weiter flaniert mit Blick nach oben, Fassadenbilder harren meiner Pupille. Mit herzlichsten Grüßen, Ihre Frau Knobloch.
    Haben Sie eigentlich Kunde von dem untreuen Boten erhalten?

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    • Ich würde Sie übers Land in und durch Städte begleiten. Die sieben Flaschen passten aber auch so gut zum Treffen um die Ecke, da konnte&wollte ich mich natürlich zurückhalten. Und der Blumenstuhl ist ja quasi eine Verboygung an die Floralwerkerin.
      Der Bote, so will mir scheinen, ist bereits schon wieder auf dem Rückweg. Ich lasse mir jetzt für die Zukunft etwas einfallen…
      WildmusikalischRollendeSteineGrüsse vom heissen Schwarzen Berg sendet wie stets, Ihr Herr Ärmel

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      • Lieber Herr Ärmel, ich muß nicht betonen welchen Jucheyhhüpfer meine blumenbestuhlten Pupillen machten. Und reiche natürlich einen Feinstdankknicks hinterdreyn.
        Sie meinen, der Bote kehrt unverrichteter Dinge nach Lippischnordwest zurück? Sie sehen mich angemessen bedauernd seufzen. Schadefindende Grüße, dennoch unverdrossen, Ihre Frau Knobloch.

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          • Nun, ich werde umgehend nach ausgiebigem Geschelte des Boten, falls er hier auftaucht, neues Feinstnotat erstellen und den Boten dann ohne Rast und Ruh‘, seinen Zossen höchstselbst kandarenehmend, wieder lospreschen lassen. Versprochen, mein lieber Herr Ärmel, mit energischem Gruß, Ihre Frau Knobloch.

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    • Och, Inch, Belgien hat hier und da noch einiges zu bieten. Brüssel ist wirklich eine interessante Stadt. Und mit einer feisten Depression im grauverregneten Flandern, das heilt umgehend jede Traurigkeit…

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    • Tja, da kann man mal sehen… die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, nur manchmal schwächelt sie ein wenig..
      Schönen Dank fürs Blogverfolgen und sonnnigheisse Grüsse vom Schwarzen Berg

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  5. Jesses, schrecklich schöne Fassaden (Brügge tät mich eher reizen) und diese Tempel hätte ich auch gerne betreten, obwohl, der Tod und belgisches Bier, gab´s da nicht nen Pakt? *fg*

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    • In Brügge kann man nach Biergenuss in Kanäle fallen – das ist durchaus unangenehm und überdies nasskalt. Brüssel ist da sicherer.
      Klar gibts den Pakt mit dem Teufel, iss doch Klosterbier *ggg*

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