Portraits im Herbstrauschgold

Im Ärmelschen Musikalarchiv wiederentdeckt: Noir Desir – Des Visages Des Figures (2001)…

Bei angenehmen, fast sommerlichen Temperaturen zieht sich das Mittagsmahl hin. Alesia ist ebenso abgehakt wie weitere Zisterzienserklöster. Beim Flanieren durch den kleinen Ort fällt eine sonderbare Diskrepanz auf zwischen manchen der stilfein restaurierten kleinen Häuser und anderen, die nahe dem Verfallen sind. Landflucht einerseits und andererseits der zumindest zeitweilige Zuzug neuer Bewohner.
Mit dem Kraftwagen ist diese Gegend von Paris aus rasch zu erreichen, sodass viele der herausgeputzten Häuser mittlerweile als Wochenend- oder Feriendomizile dienen.

Das kleine Schloss auf der anderen Seite des Tals weckt das Interesse.

Wir fahren hinüber zum Schloss. Auch hier kann man an diesem Samstag nachmittags die Besucher an einer Hand abzählen.
Der berühmteste Bewohner des Schlosses war Roger, Comte de Bussy-Rabutin (*1618 – †1698). Roger beging den folgenschweren Fehler die amourösen Affären am Hof Ludwigs XIV. öffentlich zu machen. Das kostete ihn ein Jahr in der berüchtigten Bastille. Der Comte nutzte seine Zeit dortselbst, um seine Kenntnisse niederzuschreiben und anschliessend als Buch zu veröffentlichen. Dies gefiel den in der Publikation benannten Personen noch weniger, und so wurde Roger de Bussy-Rabutin für viele Jahre auf jenes Schloss verbannt.
Aktiven Menschen wird es nie langweilig und davon legen die Wände der Wohnräume ein beredtes Zeugnis ab. In jedem Schloss finden sich in der Regel zahlreiche Stiche oder Gemälde an den Wänden, das ist nicht ungewöhnlich.

Dieses Schloss hingegen gleicht einer monumentalen Galerie. Unzählige Portraits sind in den verschiedenen Räumen zu sehen. Der Comte schien besessen von seiner Idee die Schlechtigkeit der Menschen zu präsentieren und stets vor Augen zu haben. Viele bekannte Persönlichkeiten nicht nur seiner Zeit kann man bestaunen. Ein Raum ist eigens seiner Familie vorbehalten. An sich könnte man das Ganze für einen Spleen des damaligen Hausherren halten.
Das Merk=würdige sind jedoch die handgeschriebenen Kommentare zu fast jedem Bild. In ironischen, teilweise auch geradezu sarkastischen Anmerkungen hat der Comte die moralischen Verfehlungen der Abgebildeten pointiert notiert; ihre Betrügereien, die hinterhältigen Intrigen, ihren finaziellen Ruin oder auch die jeweiligen Todesarten. Eine Chronique scandaleuse der ganz besonderen Art. Leider beeinträchtigt mein mangelnder französischer Wortschatz den vollen Genuss der Kommentare. Aber ein prustendes Lachen entfährt mir dennoch gelegentlich.

Bei angeregten Gesprächen steuern wir unsere letzten Station an: Semur-en-Auxois. Abermals finden wir ein kleines originelles Hotel und in der Altstadt geniessen wir ein gediegenes Abendmahl. Mit Bedauern müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass auch hier traditionelle Geschäfte zum Verkauf stehen, mit denen wir die typisch französische Lebensart verbinden.

Auf die für den Rückweg geplanten Einkäufe lukullischer Köstlichkeiten müssen wir zwangsläufig verzichten. Wir haben nicht bedacht, dass an diesem Sonntag im überwiegend katholischen Frankreich alle Märkte und Geschäfte wegen Allerheiligen geschlossen sind. Unsere Enttäuschung währt jedoch nur kurz. Zu faszinierend und erlebnisreich war diese kurze Reise in das Kernland französischer Geschichte.

(Foto anklicken öffnet die Galerie)

26 Gedanken zu „Portraits im Herbstrauschgold

  1. Überaus interessant, zumal wenn man etliche der historischen Persönlichkeiten kennt.
    Der sattsam bekannte Gottfried Heinrich zu Pappenheim wurde, wie unter seinem Portrait auf Bild 6 zu lesen, beim Stehlen einer Kanone von einer Kugel erwischt. (Versteht sich, dass sich diese Information bestenfalls in historischen Quellen finden lässt)

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  2. Schöne Fotos aus einer Gegend, die ich bisher nur im Sommer besuchtigt habe.

    Sind Sie der Herr Ärmel, der im letzten Jahrzehnt mal die Dorfdisco betrieben hat? Ich meine die Dorfdisco, in der immer Musik der Swell Maps gespielt wurde?

    MfGr

    der anonymus no. 2

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    • Herzlich Willkommen und vielen Dank für Ihren schönen Kommentar, Herr anonymus no.2

      Um Ihre (wahrscheinlich durchaus berechtigte) Frage wahrheitsgemäss und erschöpfend zu beantworten, teile ich Ihnen mit, dass es nicht zu meinen Gewohnheiten gehört, dörfliche Diskotheken zu betreiben.

      Sollten Sie dereinst jedoch im schönen Bembellande Ihren Weg kreuzen mit einem älteren distinguierten Herrn mit Hut, Mantel, Regenschirm und einer Kamera, dann dürften Sie mit Sicherheit dem einzig richtigen Herrn Ärmel begegnen.

      Abendschöne Grüsse aus fantastischen Bembelland, Herr Ärmel

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  3. Eine sehr gediegene Musik-Text-Bild-Kombination – geradezu wie ein Blick in ein feines Reisereportagenbüchlein!
    Und dort wie hier gehen die schönen Kaufläden den Bach runter. Das letzte Foto freut vielleicht Frau K ganz besonders. Einen Buchladen konnte man nicht mehr finden?
    Gruß aus Nussbaumgefilden mit zentnerweise Blättern drunter

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    • Ich dachte mir auch, die hochwertgeschätzte Frau K. würde sich ein ganz klein wenig freuen über diese ihr zugedachte Hommage.
      Allein sie furienkommentierte diesbezüglich…
      Gruss von überm grossen Strom (..waren zwei Königskinder, die fanden die Fähre nicht 😉 )

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    • Liebe Frau Wilddgans, die Frau K. freute sich sehr, bepöbelte dann aber den Konsumkitsch, der dort feilgeboten wurde. Da kann die Frau K. nicht aus ihrer Schneewittchenhaut. Sie hat kwasi eine Bindereygewebsschwäche, diese furienkommentierende Frau K. …
      Herzliche Grüße aus dem blaublitzendem Lipperlandien, ungewebsschwächig zugeneigt, die Ihre.

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      • Ihren Brummkreischpöbelkommentar hat er gar nicht durchgelassen- oh, oh. Er wollte Ihnen doch nur GUT. Jetzt rede ich schon wie `ne Mutti.
        Ach, ach. „Konsumkitsch“ gibt es in Ihrem akademischen Lädchen eher nicht, nur Treibholzwürzelchengestecke oder solche mit Nudeln drin?
        Feine Rheinhesseneisweinwartegrüße

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        • Herr Ärmel weiß selbst sogar mit Fulminantfuriengefauche umzugehen, er steht erbleicht hinter den Rolläden und harrt des Besinnens dieser Frau K..Während die schon wieder Feinstrügchen verteilen darf: Mein Floratelier ist hochoffizinös ein ackerdamischer, meine liebe Wildgans. Doch Sie haben Recht, kein Flitterungemach, keine melodeienpupsende Rentiere, kein Glasfrosch in spinatkotzegrün mit rosa Tütü, kein blauer Glitzereisbär und keine tanzenden pinken Pinguine. Bjäch!
          Liebe Grüße aus dem wechselhaften Lipperlandien, Ihre Ihnen gutseiende Frau Knobloch.

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          • Klingt oasisch, liebe Frau Knobloch. Der durchschnittliche Blumenladen ist die Vorstufe zur Mülldeponie, an Verkompostung nicht mehr zu denken. Und das gilt nicht nur für das Kitschbeiwerk.
            Aber ich habe den Eindruck, dass sich da gerade etwas verändert. Mir ist heute ein Karstadt-Weihnachtsangebotsprospekt ins Haus geflattert: So wenig Deko war seit Jahrzehnten nicht mehr!
            Freundliche Grüße
            Ihre Leserin

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            • Ob sich hier etwas und vor allem was sich eventuell verändert, das weiss ich (noch) nicht.
              Ich habe der von mir hochwertgeschätzten Frau Knobloch auch nie ein Foto eines schwarzbergischen Blumenladens geschickt.
              Das hätte sie wahrscheinlich umgehend in eine plumpstiefe Ohnmacht versenkt. 😉

              Feierabendliche schöne Grüsse aus dem blumigen Bembelland

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            • Dem muß ich zu meinem eigenerfahrendem Bedauern widersprechen, geschätzte Leserin. Es wird immer schlimmer. Im Großhandel verdirbt man sich echt die Augen und das Gemüth. Ich oasiiere tatsächlich immer mehr, ohne mich von Dratherey und Kleberey freisprechen zu können. Wie so oft im Leben zählt die Balance. Soviel wie nötig, so wenig wie möglich. Grundsatzbeispiele? Ich binde nur mit Naturbast, kein Plastikbändchen läuft in die Hand. Keine Folienverpackung und kein künstlicher Firlefanz. Regionale Frischware je nach Saison… ich merke gerade, am liebsten würde ich sagen, ach, kommSe doch einfach vorbei.
              Freundliche Grüße zurück, Ihre Frau Knobloch, Ihre Vorstufenthese leider teilend.
              PS: Der Kunde ist halt König und dessen Begehr füllt die Marktregale…

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  4. Schloß Rheinsberg bei Neuruppin – einst Verbannungsort für den ungeliebten Kronprinzen Friedrich (den späteren Großen/Sanssoucisten) wurde später Domizil des ebenfalls in Ungnade gefallenen Prinzen Heinrich. Der hatte sich mit seinem Bruder im 7jährigen Krieg überworfen. Dort am See steht ein Obelisk, der wie aus Grabplatten zusammengestückelt wirkt. Lauter Namen drauf, die heutigen Besuchern nichts sagen.
    Fontanes „Wanderungen durch die Mark/Band 1“ bringen an den Tag: Heinrich setzte allen ein Denkmal, die ebenfalls beim alten Fritz wegen irgendeiner Herrscherlaune in Ungnade fielen und des Hofes verwiesen wurden.
    Noch so ein galliger Adliger.

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  5. Oh wie schade (das mit dem traditionellen Geschäft). Einer Pâté de Cassis hätte ich wohl nicht widerstehen können.
    Wundert mich, dass der Pappenheimer noch gar nichts zu seiner adeligen Verwandtschaft gesagt hat *g*

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    • Den hochgeschätzten Herrn Pappenheimer versuche ich seit Tagen zu erreichen. Er scheint jetzt doch noch eine Lehrstelle ebi einer Installationsfirma namens Röhrich gefunden zu haben. Oder er sitzt im Keller und lernt den neuen Asterix auswendig *ggg*

      Als ich das Geschäft erspähte und das mit den Johannisbeertörtchen las, lief mir sofort und unaufgefordert das Wasser im Mund zusammen…

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