Ich wünsche mir Sonnenschein. The National – Alligator (2005)…
Vor kurzem hätte sie ihren Geburtstag gefeiert. Einhunderachtundzwanzig Jahre alt wäre meine Urgrossmutter geworden. Ich erinnere mich noch gut an ihre schwarzen Schuhe und die Haarklämmerchen. Die dunkelblaue, feingeblümte Schürze könnte ich heute noch malen. Wie sie vor der Brust das Brot rundabschnitt und die seltsame Art, ihre randlose Brille aufzusetzen. Sie hat das Kaiserreich, die Weimarer Republik, eine kotbraune Diktatur und die Wiedereinführung des Mittelalters erlebt.
An den Klang ihrer Stimme erinnere ich mich schon lange nicht mehr. Aber einige ihrer Lebensweisheiten sind mir dauerhafte Wegweiser geblieben. Eine davon ist mir in dieser Zeit wieder ganz nahe.
„Dreierlei wirst du nicht aufhalten. Bauern hinter der Vereinsfahne, wenn die Kuh den Schwanz hebt und Verliebte. Dann sei vorsichtig.“
Gestern wie heute werden in Zeiten zunehmender Orientierungslosigkeit offensichtlich besonders viele Fahnen geschwenkt. Es scheint, dass zahlreiche Menschen dann geradezu darauf warten, hinterher laufen zu dürfen. Mitläufer werden zu dürfen. Die Zielrichtung des Fahnenjunkers, und ganz besonders seine persönlichen Absichten, werden nebelhaft unbedeutend auf dem Marsch gegen vermeintliche Gegner.
Das verfolge ich seit geraumer Zeit bei den Leserbriefen in Tageszeitungen, in den Kommentarspalten von Blogs und nehme es erschreckend zur Kenntnis bei den Akteuren der furchtbaren Anschläge in den vergangenen Monaten.
In jedem Fall werden dabei Unschuldige zu Opfern. Bei den Mitläufern verfliegt der Rausch bald, das zeigt schon ein oberflächlicher Blick in die Geschichte. Am Ende werden auch sie geopfert werden. Gewinner, zumindest auf Zeit, bleiben allein die Fahnenschwenker, die Schieber und Intriganten. Aber auch sie werden vom wirklichen Leben eingeholt werden.
Ich wünsche allen Besuchern, Lesern und Guggern einen klaren Kopf und gute Ostertage.
(Die Fotografien sind am Rheindamm aufgenommen worden)
Ich denke es gibt oft sehr lange und sehr düstere Zeiten, aber immer wieder siegen doch Menschlichkeit und Vernunft, wenn auch nicht für lange Zeit. Aber im großen und ganzen glaube ich an das Gute im Menschen, aber auch an unsere Verführbarkeit zu allen möglichen Exzessen, Wahnvorstellungen und Gewalttaten. Schlimm ist es im Tunnelblick irgendeiner menschenverachtenden Ideologie gefangen zu sein ….. Letzlich suchen doch aber alle Menschen dasselbe: Liebe, Anerkennung, wahrgenommen werden, Möglichkeiten zur (kreativen) Verwirklichung ….
Wo Sie aber auch diesen tollen Fotomotiven begegnen !!
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Ihren Worten kann ich gut zustimmen. Was mich jedoch zunehmend nachdenklich stimmt, ist die „Verführbarkeit zu allen möglichen Exzessen“.
Da scheint die Hemmschwelle im Sinkflug sich zu befinden.
Sehmänner und natürlich auch Sehfrauen finden allerorten ihre Motive, mann muss nur fleissig gugge. Die Absenz jeglicher Scheuklappen ist dabei Voraussetzung 😉
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Scheuklappen gehören zu den größten Hindernissen der Menschheit. Vor allem die, die einen daran hindern die eigenen Positionen zu hinterfragen …..
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Wem sagen Sie das? Ich bin bei mir auch ständig am Aufpassen. Leider kann man sich nicht dauerhaft impfen gegen die Verführungen…
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Hast Du Dir wieder ein paar Indianer-Federn zusammengesucht. Adlerfedern sind aber (Foto) nicht dabei.
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Nein, kein geschossener Adler. Aber glücklicherweise auch kein Komoran 😉
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Der Mensch ist ein Herdentier, ob harmlos im Reiserudel hinter der Fahne des Reiseleiters hertrottend, ob Fähnchen schwingend bei Popkonzerten, im Fußballstadion, er fühlt sich wohl und hinterfragt oft nicht die, die sich Böses auf ihre Fahnen geschrieben haben. Ihre Urgroßmutter war eine weise ,humorvolle ,lebenserfahrene Frau und schon die Zusammenfassung der Ereignisse ist Klasse. Herzliche Grüsse vom Dach in Hanau Karin
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Die Schwierigkeit besteht meines Erachtens mittlerweile darin, dass die Schrift auf der Fahne oft garnicht klar erkennbar ist. Insofern ist die Frage nach gut und böse heute schwieriger denn je.
Frühabendliche Ostergrüsse aus dem sonnigen Bembelland, Herr Ärmel
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Lieber Herr Ärmel, nach einer langen Nacht am Feuer mit vielen Geschichten und Klängen unter heilkundigen Zauberinnen sind meine Kräfte soweit wieder hergestellt, daß ich mich wieder ans Sonne herbeizaubern heranwage…sollte es morgen noch nicht klappen, so liegt es vielleicht an unserer wankelmütigen SIM – Karte, die einfach zwischendurch das Netz ausschaltet! Aber ich bemühe mich weiter! Sie müssen natürlich auch dran glauben…so n´kleines Liedchen wirkt da unter Umständen auch Wunder bei der Sonnenbeschickung! An die wunderbare Frau Urgroßmama bitte himmelwärts die allerbesten Grüße! Ihre Graugans
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Dass Sie offenbar eine lebensspendende Nacht hinter sich haben, meine liebe Frau Graugans, das freut mich sehr. Die bestellten Grüsse will ich gerne bestellen und was das Liederl betrifft…
Ihr Herr Ärmel
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Gute Worte, lieber Herr Ärmel. Auf das wir nicht zu Mitläufern werden und unüberlegt Fahnen schwenken, weder auf der Straße noch im Blog.
Ich wünsch uns das Fühlen von Gerechtigkeit und Klarheit.
Friedliche Ostertage Ihnen!
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Sie treffen den Nagel exakt kopfwärts, liebe Frau Maribey. Fahnen zu schwenken ist grundsätzlich eine Möglichkeit, um Menschen zu erreichen. Die ist aus sich heraus weder positiv noch negativ. Es kommt lediglich drauf an, was daraus gemacht wird.
Auch Ihnen friedliche Ostertage!
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Naja, die Fahne an sich…aber was halt so draufsteht, ist auch nicht ganz unbedeutend!
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Eine Fahne ist eine Fahne ist eine Fahne . . frei nach Gertrude Stein…
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Dem klaren Kopf über die Osterfeiertage muss ich leider eine Absage erteilen. Der Zug ist seit Gründonnerstag schon abgefahren.
Und wie mein Internetspitzname schon trefflich vermuten lässt, bin ich der“Verführbarkeit zu allen möglichen Exzessen” grundsätzlich nicht abgeneigt. *fg*
Schöne Resteierfeiertage wünschend, grußverabschiede ich mich einstweilen aus dem wechselwetternden Hamburch !
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Eine Absage? Das klingt nach aufregenden Abenteuern in Wetterwendisch-Hanseatien. Besonders was den zweiten Absatz angeht. 😉
Da wünsche ich euch beiden Ostersörwaiflern mächtig Dampf im Kessel . . .
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Ich verstehe, was in diesem Post mich persönlich betrifft und nehme es an.
Gute Nacht, Ihre Arabella
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Diesen Post trage ich seit längerem schon mit mir herum. Die Ereignisse in grossen und kleinen Welten liessen ihn reifen. Und heute ist Ostersonntag. Auch Ihnen wünsche ich eine gute Nacht, Ihr Herr Ärmel
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Und dennoch bleibe ich dabei Ihre Worte anzunehmen.
Weil sie wahr sind und gerecht.
Frohe Ostern
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Es scheint so als warteten alle auf die richtige Fahne (die es aber gar nicht gibt),
und so wie eine geschwenkt wird, ist der Blick nicht mehr objektiv.
Wie aggressiv die Stimmug ist und in welche Bereiche es sich auswirkt,
das erschreckt auch mich in meinem bescheidenen Umfeld.
Beste Grüße aus der klingenden Silbenkemenate,
Silbia
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Vielleicht liegts daran, dass der winterliche Grauhimmel nicht enden will. Da kann man schon grantig werden.
Ich finde, dass es Zeit wird, dass sich der Frühling stabil zeigt.
Mitternächtlichschöne Grüsse aus dem stillen Bembelland.
Herr Ärmel
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Hmm, noch gar kein Aufschrei der Empörung, sehr viele Bauern lesen hier wohl nicht mit. Wasfürnglückaberauch.
Frohes Eiapopeia 😉
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Ich bin nicht gut im Marketing. Hast du einen Tipp, wie ich Zielgruppen besser erreiche? 🙂
Frohes Ostereiergelage weiterhin…
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Ganz besonders spricht mich Ihr bildliches Memento mori an. Wunderschön! (Wenn sich das so sagen lässt.)
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Sagen lässt sich das schon, lieber Zeilentiger 😉
Abendschöne Grüsse aus dem bleigrauen Bembelland,
Herr Ärmel
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