Im nassen Gras barfuss denken

Ganz starkes Gebläse aus dem Bayernland. Allein, mir fehlt ein Textdolmetscher. Macht aber nichts, denn die Musik geht ab wie Nachbars Lumpi. Zier dich nicht, letz fetz: LaBrassBanda – Übersee (2009) …

Kladdenschreiberei. Eine Legion neuer Eindrücke und reinkarnierter Erinnerungen sammelt sich an. Intensives Erleben der Gefühle. Gedankenblüten. Der innere Kompass zeigt auf den September. Seit Jahrzehnten ein besonderer Monat für mich. Entschliessungen, Entscheidungen, neue Herausforderungen, neue Wege.

Du staunst, als dir morgens beim Telefonieren der Lärm der Einflugschneise ins Ohr meisselt. Bald wird der Gesang der Gänse wieder zu hören sein. Die Frühstarter sind in kleinen Konvois bereits unterwegs.

Schnecken tragen ihre Häuser im Garten umher. Schön sind ihre kalkigen Wohnrucksäcke gemustert. Ich beginne, im Garten viel mehr  Einzelheiten wahrzunehmen. Möchte jetzt auch endlich etwas mehr von Flora & Fauna verstehen. Es ist an der Zeit. Und überhaupt. Ich laufe seit Wochen im Garten barfuss. Im taufeuchten Gras ohne Schuhwerk die Morgenübungen zu absolvieren ist normal. Aber tagsüber und dann noch im Anzug. Das zieht Blicke an aus den Nachbargärten. Die gabs zwar auch früher schon zu anderen Gelegenheiten. Das stört mich nicht, ich liebe meine Nachbarschaft. Oder anders gesagt, ich habe sie lieben gelernt ein Leben lang. Aus diesenGründen sollen sie auch etwas von mir haben. Meine Nacktschnecken verteile ich brüderlich über die Zäune rundum.

Im nassen Gras liegen und fotografieren. Plastiktüte im Beet ausgelegt. Ich mag keine nassen Kniee. Die Regentropfen auf dem Rücken sind angenehm. Die Kamera ist wasserdicht. Regentropfen auf der Haut. Wunder sind real, wenn sie als solche wahrgenommen werden.

Die Sandhäufchen und die schwarzen Löcher im Ärmelhof. Seit Wochen nun schon und nichts weiter zu sehen. Doch, halt.
Auf den kleinen Sandplacken wird morgens neuerdings ein Schrägloch geöffnet und abends wieder geschlossen. Keine Hinweise zu den Öffnungszeiten. Jeweils eine Sandbiene ist rapidissimo emsig zugange. Ein scharfes Foto? Fehlanzeige. Eine schleppt den Leichnam eines Artgenossen aus dem unterirdischen Gang. Bis ich im Staunen die Kamera bereit in der Hand halte, ist die Leiche verschwunden. Ich wühle aus Prinzip nicht in fremden Sandhaufen. Die Sandbienen stechen nicht.

Ich bin unsicher, ob die nackten Schnecken schneller wieder da sind, als ich anderweitig verteilen kann. Der wilde Wein muss dringend zurückgeschnitten werden. Stattdessen lieber Clematis in einer Efeuwand bewundern. Dafür blühen hier die Rosen. Also doch besser Blüten pressen. Und weiter in die Kladde schreiben.

Ich wünsche allen Besuchern, Lesern und Guggern einen feinen Sonntag und eine hochsommerliche Woche.

                                                                    (Wie fast immer – Foto anklicken und gross gugge)

51 Gedanken zu „Im nassen Gras barfuss denken

  1. Ach Herr Ärmel, die Schnecken mit ihren kunstvollen Gebäuden …“des Rätsels Lösung trägt die Schnecke auf dem Rücken“, sag ich doch immer…viele Grüße und möge es Ihnen wohlergehen!

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  2. Was ein Titel, Herr Senfsdazugeber-Ärmel.
    Allein der ist schon klasse. Interessant, welche Bedeutung die Monate haben können, der September gilt bei mir als ein „weicher“ Monat, was auch immer das bedeutet. Von allem ein wenig in der Regel.
    Im nassen Gras mit wettefester Kamera, aber nicht wetterfester Linse bin ich heute ebenfalls herumgekrochen. Der kleinen Wespenspinne hat der Regen nichts ausgemacht, sie saß da in ihrem Zickezackenetz wie ’ne Eins und hat auf potentielle Opfer gewartet. Ich hab sie kurz umkreist und zugeschlagen wie sich das gehört… aber am Ende war ich doch auch nass. Die Schneckenhäuser sind eine Wucht, immer wieder, aber die Sandbienen sind klasse, die konnte ich noch nicht beobachten. Was mag in diesen Tierchen alles vorgehen?
    Wespenbienenspinnige Grüße aus der Früherholung.

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    • Wenn der Titel steht oder die passende Musik läuft, dann fügt sich der Beitrag leichter zusammen.
      „Weicher“ Monat – ein anregende Metapher. Welche weiteren weichen Monate haben Sie, bzw. welches sind die Harten?
      Für gute Aufnahmen von den Sandbienen, bräuchte man eine ganz andere Ausrüstung als meine. Aber eigentlich ist das interessantere Detail, dass mir diese Tierchen bisher unbekannt waren.
      Das Rumkrabbeln für erdnahe Beobachtungen steht übrigens alternden Zeitgenossen gut an, denn es ersetzt die Gümm-nass-tick für Senioren.
      Wohlgemute Morgengrüsse im Zusammenklang mit Gasandji – Gasandji (2013)

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      • Der Februar wäre der ‚harte‘ Monat, ich denke das bezieht sich auf das Durchhalten nach den kurzen Tagen bei bleibender Kälte. Dem entsprechend kann der September mehr enttäuschen als der Februar. Der Juni wäre mein ‚fröhlicher‘ Monat, der November der ‚dunkle‘. Für die anderen habe ich keine Bezeichnungen. Wobei das eher meine Befindlichkeiten zeigt als anderes.
        Wieder Weltmusik, da muss ich später noch mal danach suchen. Immer wieder tolle Tipps. Ich danke hierfür und wünsche einen sonnigen Sonntag vom Frühstückstisch.
        (Hans Zimmer – Soundtrack zu Interstellar)

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  3. Auf die Schnelle fällt mir bloss „Dancing Barefoot“ ein. Wir alten Dackel 🙂
    Ich bin immer froh, wenn der August herum ist, seit 2003 – dem Hitzejahr, seither bin ich wetterbehindert. Auch wenn die Schwalben sich schon versammeln hier zum Rückflug, no mercy on summer.
    Das ist hängengeblieben. Auch wenn die Herbstzeitlose hier beginnt, in ihr zwetes Leben zu leben.

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    • In der beeindruckenden allgemeinen Horizontweitung, die mir gerade widerfährt, fällt mir auf, dass ich mit allen Jahreszeiten einverstanden bin.
      Ich kann in und mit allen Jahreszeiten ziemlich gut leben. Es sind nicht einzelne Jahreszeiten und deren Auswirkungen an meinen Zuständen schuld, sondern ich selbst, indem ich nicht das annehme wie es gerade ist…

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    • Geht mit ganz genau so. Ich bin auch seit 2003 hitzetraumatisiert. Ich ertappe mich tatsächlich bei Gedanken wie: „Puh, schon zweite Augusthälfte, ganz schlimm kanns nicht mehr kommen, und wenn, dann wenigstens nicht mehr lang…“
      Für das Wort „wetterbehindert“ meinen herzlichsten Dank. Jetzt weiß ich, wie ich diese Befindlichkeit kommunizieren kann.

      Und noch ein PS in eigener Sache: Ende Oktober kann uns, zumindest im näheren Osten, nichts mehr geschehen.
      Da könnte man doch mal den Schreibtisch gegen die Siebenmeilenstiefel eintauschen und dem alten Dackel ein wenig Bewegung zuführen.

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  4. Schon die Überschrift finde ich wunderbar, dann ihren Text zu lesen, ist schön, da fließt Harmonie und die Schönheit des Augenblicks. Ihre Zeilen nehmen mit uns lassen schöne Bilder entstehen. Und dann folgen noch ihre Bilder.

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  5. Titel des neuerlichen Blogeintrags: Spitze!
    Die Flieger über Ihnen noch so tief, dass man beinah den Gouverneur von Caracas drin sitzen sieht.
    Die Beschreibungen und Fotos derart fein, dass Augen tränenfeucht werden könnten.
    Über „das Seelenleben der Tiere“ kann man sich Gedanken machen. Im so betitelten Buch las ich…ach, das gehört jetzt nicht hierher.
    Gruß von der Sandbienenterrasse

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    • Liebe Frau Wildgans, ich wills auch hier gerne gestehen. Bei den Titeln sind Sie mir ein Vorbild.
      Mich beruhigt der Konjunktiv hinsichtlich möglicher Tränenfeuchte,
      Gruss von der Nachmittagsfähre unterm Grauhimmel

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    • Das freut mich, dass Du einen gültigen Satz für Dich gefunden hast.
      Aber es ist doch wirklich so: wir tun gemeinhin alles, um Wunder nicht als solche wahrzunehmen.
      Schliesslich sollen wir Wunder in Shopping Malls einkaufen….
      Liebe Grüsse von unterm Grauhimmel in den hoffentlich sonnigen Norden

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      • Lieber Herr Ärmel, für mich stimmt das schon seit Jahren, ich habe mich gefreut, es auch bei und von Dir zu lesen.
        Wenn nichts selbstverständlich ist bzw. so an-und wahrgenommen wird, wird alles zum Wunder.
        Alles Liebe und einen schönen Sonntag. Hier regnets gerade, nachdem die letzten Stunden voller Sonne waren.
        Gleich wird es wieder schön und kommende Woche bis 30 Grad. Einen schönen Tag Dir. Herzliche Grüße

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        • Ha! Regen hat grad aufgehört, ein kleines Himmelgeräusch zuvor und dann der Regen wie abgedreht. Die letzten Tropfen höre ich herunter tropfen von Fensterbänken und Blättern. Gleich wird es wieder schön, sag ich doch! Ich sollte Meteorologin werden *lacht*. Mich freut das schöne Wetter, ich möchte nämlich gleich los mit dem Fahrrad. Danke Himmel! 🙂

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            • Das sind die alltäglichen Wunder. Könnten und würden wir sie alle wahrnehmen, vieles ginge uns leichter von der Hand.
              Hier scheint jetzt auch wieder die Sonne, die feigen im Garten sind geerntet und jetzt wird das kleine Reisegepäck zusammengestellt.
              Und dann noch fürne Runde aufs Rad 😉

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  6. Wie die Menschen eben unterschiedlich sind. Der Sommer 2003 in Tübingen war mir – trotz Abschlussprüfungen – die schönste, liebste Jahrszeit meines ganzen Lebens. Ach, wäre es mal wieder so (den Freiheiten inklusive) …

    Herzliche Grüße nach RT!

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  7. Schön mit Ihnen durch den Garten zu streifen, nur eins will ich raten, die Nacktschnecken finden immer zurück aus Nachbars Garten, die brauchen eine grössere Entfernung oder einen Bach zwischen sich und Ihrem… und Wildgänse, herrjeh da sah ich vor zwei Wochen doch glatt welche über Bonn fliegen und wie ich mich da wunderte… zusammen mit den vielen dicken Haselnüssen in diesem Jahr wollen sie mir vom frühen Winter reden? Bitte nicht, sag ich, aber sie fliegen weiter… tja.
    herzliche Grüsse
    Ulli

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    • Lernen und Horizontweitungen fetzen ungemein. Ich danke Ihnen für den Hinweis hinsichtlich eines weiter entfernten Aufenthaltsortes für die nackten Schnecken. Ich werds ausprobieren.
      Und ich wunderte mich schon, woher die immer wieder kamen über Nacht…
      Herzliche Grüsse ebenso,
      Herr Ärmel

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  8. Oliver Rath ist verstorben. Ich weiß nicht, ob Sie ihn gekannt haben.
    Nicht, dass ich seine Bilder wirklich mögen würde, ich bin vielmehr fasziniert von ihnen, hypnotisiert. Ich kann weder hin- noch wegsehen.
    Vor ein paar Wochen habe ich darüber nachgedacht, mich von ihm porträtieren zu lassen. Ich wollte ihn anrufen und sagen:
    „Ich gehe auf die 60 zu. Mein Leib altert ohne Tattoos und Piercings. Drogen haben mich nie interessiert. Aber mich so sehen zu dürfen, wie Sie mich sehen würden, wäre ein Trip für mich.“
    Dann habe ich mir gedacht, dass das Ganze, falls er sich überhaupt drauf einließe, sauteuer werden würde und beschloss zu warten, bis ich mehr Geld zur Verfügung haben würde.
    Wo nehmen wir bloß immer so schnell die schlechten Gründe her, die eine gute Idee im Keim ersticken lassen?

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  9. Oliver Rath ist mir weder persönlich bekannt, noch habe ich die Entwicklung seines Werkes intensiver verfolgt. Mich reizen Künstler immer weniger, deren Verkaufswert hauptsächlich am Mass ihrer Provokationen gemessen werden. Wobei Kunst ja immer mehr am Dinghaften festgemacht wird und der Markt die künstlerischen Provokationen aus marktwirtschaftlichen Gründen geradezu provoziert.

    Dennoch finde ich Ihre Idee interessant. Und mutig obendrein. Den Preisgedanken halte ich für irrig. Warum sollten Sie dafür zahlen müssen, wenn er „das Material“ für ein Kunstwerk frei Haus erhalten haben würde? Aber diese Frage hat sich erledigt.

    Ihre Frage „Wo nehmen wir bloß immer so schnell die schlechten Gründe her, die eine gute Idee im Keim ersticken lassen?“ interessiert mich persönlich auch schon seit Jahren. Meine Antwort: Mir wurde von Kindesbeinen bei eventuellen kreativen Anfällen gesagt, dass ich sowieso nie was zustande bringen würde. Das musste ich dann mehrere Jahre lang nachsprechen. Neben anderen, ähnlich sinnreichen Mantren. Einige könnte ich durch (jahre)langes Üben fast rückstandsfrei beseitigen, andere… naja, lang ist die Kunst und kurz das Leben.

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      • Kein Gefällt-mir Klick von mir für Ihren Kommentar. Sie haben noch viele Jahre vor sich zum üben.
        Auch wenns so iss, musses nicht so bleiben. Das Leben hält grössere Abenteuer bereit als ein
        würdeloses Hinnehmen von Beschädigungen aus früheren Jahren.

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        • Da haben Sie natürlich völlig recht. Bis auf Eines und das zeigt der Tod von Oliver Rath mal wieder in aller Deutlichkeit: Das Leben weilt kürzer als die Kunst und niemand weiß wie kurz.

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  10. Sie sprechen weise – deshalb: Zündschlüssel rein, rumdrehen, starten und los gehts!!!
    Abendgruss von der bembelländischen Achterbahn 😉

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  11. Herrlich! Ich hab lang geblättert und wurde nicht enttäuscht. Auf Herrn Ärmel ist Verlass. Ihre Schreibe zaubert weiterhin ein Lächeln ins Gesicht, bis ich bei der Nacktschnecken Verteilung laut lache. Vielen, vielen Dank. Immer wieder erfrischend.
    Ein schönes Wochenende wünsche ich!

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  12. Hatte ich Ihnen schon einmal die Lektüre von „Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln“ Was wir von Tieren über Physik lernen können von Puntigam.Gruber.Oberhummer empfohlen, lieber Herr Ärmel, etwas das Ihre Wißbegier auf jeden Fall stillen würde und dann auch noch mit Humor gewürzt. Gibt es auch als Hörbuch (ich lese lieber).
    Ferner ist in der Reihe Naturkunden auch ein Winzlingsband „Schnecken“ von Florian Werner erschienen und weil alle guten Dinge drei sind: Das Geräusch einer Schnecke beim Essen von Elisabeth Tova Bailey… es kommen ja bald die feuchteren Jahreszeiten, die das Studium der Fauna und Flora in die Innenräume verbannt.
    Ansonsten wünsche ich mir noch mehr Fotos von den Kleinlebewesen um Sie herum und was die Plastiktüte anbelangt, da gibt es im Baumarkt so Knieschützer für die Gärtner, die können auch von kniefälligen Fotografen benutzt werden -:)))
    Nette Grüße in das Ärmelanwesen vom Dach in Hanau, Karin

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  13. Liebe Frau Karin, ich danke Ihnen für Ihre, wie immer sehr erlesenen Literaturhinweise.
    Ebenso schulde ich Ihnen Dank für den vorsorglichen Hinweis auf professionelle Knieschoner für Gärtner oder Fliessenleger. Allein, die Aufnahmefähigkeit meines Geraffeltransportbehälters ist begrenzt und was müsste ich zurücklassen und würde es doch missen, packte ich eine Kniebehelmung ein.
    Womit ich Ihnen schlussendlich nun auch noch eine betrübliche Mitteilung zu machen habe. Sie haben es sicherlich bereits bemerkt, dass ich weniger Beiträge verfasse. Und es könnten noch weniger werden. Das bedeutet dann auch, dass ich weniger Fotografien präsentieren werde.
    Der Rechenknecht wird nur noch zu bestimmten Zeiten von mir bedient werden.

    Sonnige Grüsse von der Mainspitze,
    Herr Ärmel

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  14. Nicht die Masse macht es. …die Klasse! Da mein Reader mir getreulich meldet, wenn sich auf dem Ärmelblog etwas tut, harre ich geduldig aus, bis wieder etwas Ihrer Linse und der Feder entspringt. Reales Leben sollte immer Vortritt vor dem virtuellen haben.
    Mit guten Wünschen für all Ihre Vorhaben und einem nächtlichen Gruß
    Karin
    Was die Kniepolster betrifft, sie sind federleicht und man kann sie sich wie Ohrschützer bis zum Einsatz um den Hals hängen ☺

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