Wer den Winter, das Eis und die Finsternis vermisst

Endlich ein Stativ aufgetrieben, der Himmel ist wechselhaft und dazu musikalisches Feuerwasser: Firewater alle Alben in Dauerrotation…

Es soll Menschen geben im Land, die trotz explosionsartig steigender Energiekosten einen schneereich kalten Winter vermissen. Die ziehen die unbequeme Lebensart vor mit zwiebelschaligen Bekleidungsritualen mehr fach am Tage. Nasskälte, die durch und durch geht. Regen, Schneematsch & Dunkelheit. Wem die derzeitige Melange aus Spätherbst und Vorfrühling auf den Senkel geht und sich darob schmollend aufs Canapé zurückzieht, den könnte dieser feine Roman ersatzfrösteln lassen.


Die Langsamkeit wurde bereits 1983 entdeckt vom Publikum unter Mithilfe von Sten Nadolny. Bekannt ist die Geschichte von John Franklins Suche nach der Nordwest-Passage seitdem. 1984 erschien das Werk eines anderen Autoren, man könnte es geradezu als Parallelwerk bezeichnen. Darin wird ebenfalls die Geschichte einer Suche beschrieben und erzählt.
Als das Alpenland Österreich auch unbedingt einmal eine internationale Grossmacht zur See sein wollte, rüstete es die „Payer-Weyprecht-Expedition“ aus neues Land zu entdecken und kolonial in Besitz zu nehmen. So kam es, dass man an Bord der „Admiral Tegetthoff“ auf der Suche nach der eisfreien Nordost-Passage im August 1873 eine unwirtlichriesige unter Gletschern verdeckte Einöde als das „Kaiser-Franz-Josef-Land“ entdeckte und die österreichische Flagge hisste. Der letzte weisse Fleck auf der Landkarte Europas war verschwunden und das Abenteuer der Expedition nahm seinen Lauf.
Der Roman von Christoph Ransmayr verbindet dokumentarisch verbürgte Vergangenheit mit einer fiktionalen Berichterstattung aus der Gegenwart.
In Nadolnys Buch gefällt mir die Gestaltung des Menschen John Franklin in seiner Entwicklung. Bei Ransmayr hingegen ist es das changierend verschwimmende Moment zwischen Dokumentation und Illusion, das mich unwiderstehlich in die Handlung hineinzog.
„Taten sich dir die Pforten der Totenwelt auf, schautest du die Tore der Finsternis? Hattest du acht auf die weiten Flächen der Erde? Bist du zu des Meeres Quellen vorgedrungen und in des Ozeans Tiefe einhergewandelt? Dort ist die Heimat des Saphirs und des Goldstaubs. Aber kein Raubvogel kennt den Weg dorthin und kein Löwe schreitet auf ihm. Die Weisheit aber – wo findet man sie und wo ist die Stätte der Einsicht? Das Urmeer spricht: „In mir ist sie nicht“ und der Ozean sagt: „Ich bin leer.“

Christoph Ransmayr: Die Schrecken des Eises und der Finsternis. Roman. Mit 8 Farbphotographien von Rudi Palla und weiteren 11 Abbildungen im Text. Edition Christian Brandstätter. München Wien 1984. (Ob spätere Ausgaben oder Auflagen ebenso schön augestattet sind entzieht sich meiner Kenntnis)

25 Gedanken zu „Wer den Winter, das Eis und die Finsternis vermisst

  1. Mantramurmelnd:
    Ichfühlemichnichtangesprochenundkommentieredeshalbnicht.
    Ichfühlemichnichtangesprochenundkommentieredeshalbnicht.
    Ichfühlemichnichtangesprochenundkommentieredeshalbnicht.
    Winterfetzt. Winterfetzt. Winterfetzt.

    Like

  2. Dieser John Franklin ist Nadolny wirklich gelungen. Und weil ich Eis und Schnee in der Literatur liebe und Ransmayr eine wundervolle Sprache schreibt, werde ich mir dieses Buch wohl vormerken müssen.

    Like

  3. Ich stöbere zwischendurch ein wenig in den Regalen und bereite einige Empfehlungsposts dazu vor. Ich werde sie fein verteilen, dass du dir nicht zuviel vormerken musst Ich versuche, mich zusammenzureissen. 😉
    Schöne Grüsse aus dem Zweistromland

    Like

  4. Nene, das ist für'n A….

    Ich liebe die Sonne nämlich auch, aber eine Chance auf Sonne hat man hier im Winter halt nur bei Minusgraden.
    Drei Meter Schnee, am besten alles an einem Tag, damit man die Karre nur einmal freischaufeln muss und danach drei Wochen knackekalt und blauer Himmel, das wärs..

    Like

  5. Genau so wünsche ich es mir auch! Allerdings nicht erst im Märzen, so wie im vergangenen Jahr. Ein Lenz ohne einem vorherig ordnungsgemäß stattgefundenem Winter fetzt nämlich nur halb so sehr. Danke, Herr Zaphod, daß Sie diesem dauerwärmeanbetendem Sonnenbeschwörer Paroli bieten.

    Like

  6. Och, liebe Besucherschaft – ich habe doch nichts gegen den Winter, wenns denn einer werden würde. Aber diese Wetterunentschiedenheitsmischung, nee, die mag ich nun wirklich nicht…

    Like

  7. noch mehr Eis und Schnee im Flattersatz von Herrn Ransmayr (ich liebe diesen Mann , natürlich rein platonisch-:) und wer seine Bücher von ihm vorgelesen (gibt es inzwischen auch als CD) erlebt, wird immer fasziniert sein…aber zurück zum Thema, das Buch, das ich meinte ist „Der fliegende Berg“ und seine kleinen feinen Bändchen über die Spielformen des Erzählens sind alle empfehlenswert und sein letztes auch……
    Als er im Frankfurter Literaturhaus zu Gast war, lagen ihm die Zuhörer zu Füßen…und es waren nicht nur Frauen im Publikum….
    ach seuffzzzz…
    ransmayr-begeisterte Grüße von der Karin

    Like

  8. Der fliegende Berg ist die Geschichte zweier Brüder, in einer sehr poetischen Sprache , in dem für mich typischen Ransmayr-Sound.Es liest sich wunderbar.
    Das neueste Buch, für das er 2013 den Brüder Grimm Preis der Stadt Hanau bekam, ist der „Atlas eines ängstlichen Mannes“, es ist eine Sammlung von Reisekurzgeschichten quer durch die Kontinente. Ransmayr ist ja ein großer Reisender und tritt als Erzähler in die Fußstapfen von Chatwin, Theroux, Nooteboom, Trojanow, usw. die alle ihre eigene Art haben, ihre Erlebnisse zu schildern.
    Für's armchairtraveln bestens geeignet -:)))
    Hätte noch etwas für's Lesekost-Rührei -:)) , falls nicht schon längst bekannt:Ilija Trojanow „Der Weltensammler“ und dazu in der Anderen Bibliothek erschienen „Nomade auf vier Kontinenten“ die beiden Bücher gehören zusammen!
    Jetzt hör ich aber auf, aber wenn der Bücherwurmgaul mit mir durchgeht, gibt's kein Halten -:)))

    Like

  9. Ich ergebe mich 😉 Den ängstlichen Mann habe ich bereits auf der Liste und um Herrn Trojanow werde ich mich kümmern (ZeitZeitZeit müsste man haben und davon ganz viel)
    Vielen Dank für die Hinweise (Warum ist Dein Blog verschlossen?)

    Like

  10. Da ich auch eine große Liebhaberin von Lyrik bin, sammelte ich meine besonderen Fundstücke früher in einer/mehreren Kladden, manchmal auch Textzeilen aus Büchern. Inzwischen geht das über einen Blog viel leichter, zumal ich auch noch eine miserabel lesbare Handschrift habe und ich stelle täglich ein Gedicht, ein oft dazu passendes Musikstück und ein Bild (Foto/Gemälde)dazu ein…….und jetzt kommt der Haken: da ich das meist aus dem WWW herunterlade (ich erspare mir damit das mühselige Abtippen aus dem jeweiligen Buch) ,besteht die Gefahr der Verletzung des Copyright sowohl was die Fotos anbelangt, als auch Werke modernerer Schreiber. Im Blog steht kaum etwas Eigenes, immer ist es „gemaust“ aus Büchern oder der fotocomunity usw. Auf meinen Blogspaziergängen entdecke ich dann neue Fundstücke und bin wie der Frederick, der die Körner für den langen Winter sammelt -:))
    Deswegen habe ich bisher nur 6 Leute als Leser eingeladen, die aus dem familiären und Freundesumfeld kommen.
    Wenn mich jemand fragt, ob er lesen darf, würde ich ihm die Bitte wahrscheinlich nicht abschlagen-:)).
    Es ist eine Art schöne Spielerei…just for fun….
    Ich liebe auch Wortspiele und z.B. die zwischen Herrn Ärmel und Fraubittemito sind so herzerfrischend, daß man davon eigentlich eine eigene Sammlung anlegen müßte -:)))
    jetzt schreit das Gänsebrustfilet nach der Pfanne, der Apfelrotkohl nach dünsten, der Cabernet nach Lüften und bevor der Magen knurrt, klappe ich für heute den Deckel zu…..
    Noch einen schönen Abend nach Frankfurt……das ich morgen zum Konzert in der AO heimsuchen werde…schon wieder was zum Freuen -:))).

    Like

  11. noch ein kleiner Nachtrag: ich mause mir nie Sachen aus einem Blog, in dem die Dinge eigentumsgeschützt sind und wenn, frage ich vorher um Erlaubnis, ob ich es zu mir holen darf. Meine Dinge, die ich kopiere, sind sowieso öffentlich und ich nenne Roß+Reiter, oft auch das Buch….nur damit kein falscher Eindruck entsteht -:)))

    Like

  12. Das mit der Sammlung können Sie der Knoblochschen gerne einmal vorschlagen. Es steht zu vermuten, dass sie ihre jugendliche Stirn falten wird gar zickt oder krakeelt.
    Oooh schreiende Gänsebrüste pfannengeschlagen, das kann ich gut nachvollziehen deckelzugeklapptes Apfelrotkohlgedünste… Sie sind wohl nicht aus der näheren Umgebung? Rotkohl zu sagen liegt nämlich verdächtig nahe einer Süssgespritztenbestellung in der Beiz….
    Gut, nun soll Abendruhe herrschen, Männer meines Alters und Wesens müssen auf ihren Mantel, Hut und den Blutdruck achten.
    Nachtdunkle Grüsse aus dem Bembelland

    Like

  13. Über Ihren Blog, werte Frau Karin, sprechen wir doch garnicht mehr, ich habe Ihre Erklärung hinreichend verinnerlicht (Pssst – falls da jemand mitliest)
    Alla guude dann bis die anner Woch ~~~~

    Like

  14. heute beim Lesen verwundert guck: seit wann schlafen Sie unter einer Brücke, habe ich doch erst kürzlich ein edles Interieur hier erspäht oder lassen die Kosten für's ärmelfürstliche Speisen keine Daunendecke mehr zu und es wird unter einer der vielen Mainbrücken genächtigt mit Hut und Mantel?
    die Eingeplackte (so heißen ja in Frankfurt die deutschen Migranten) hat im Harz das Licht der Welt erblickt, an einem Tag, an dem hier die närrische Saison beginnt, und den ersten Satz, den sie nach dem Umzug von Goslar nach Epps-tein in der Schule zu hören bekam, war neben ei guuuude, Du hast wohl 'nen Dubbe unterm Pony, immerhin verschlug es sie aus einer reinen Mädchenklasse (in Niedersachsen wurde noch auf Sitte und Anstand geachtet) in eine hiesige mit 27!!!! Jungs und 8 Mädchen. Dazu s-tolperte sie über den s-pitzen S-tein, was ihr einen blauen Brief in Betragen eintrug, weil das Vortragen langer Balladen immer zu tumultartigen Lachanfällen der Knaben führte. Der bB wurde aber zurückgenommen, da sie sich in den Weihnachtsferien befleissigte, ein Schtudent-mit-Schtschulpenschtiefeln zu üben und ab Januar s-tfrei herumlief.
    Dennoch kommen sprachliche Schnitzer immer noch vor…..die mit der Muttermilch eingesogene Sprache verliert man auch im Bembelland nie -:)))

    Like

  15. Das kann ich gut nachvollziehen, dass man mit einem dauerhaften „s-t“ im Bembelland, in dem ja das notorische „sch“ vorherrscht, direkt und sofort auffällt.
    So, und jetzt zurück im bembeligen Zweistromland, werde ich zuerst einmal meinen Blog wieder in Ordnung bringen.
    Novembrigdüstergraue Grüsse aus dem Zweistromland

    Like

Hinterlasse eine Antwort zu Herr Ärmel Antwort abbrechen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..