Auf Umzugsspuren

Horsche: Auf diesen Komponisten bin ich durch einige ProgRockmusiker (Peter Hammill, Gentle Giant, Robert Wyatt etc.) gestossen. Sie nennen den Mann als einen wichtigen Einfluss auf das eigene Schaffen. William Byrd (1543 – 1623) schuf vorwiegend sakrale Musik. Hier läuft: The Byrd Edition – Cantiones Sacrae 1591 / Laudibus in sanctis (The Byrd Edition, 13CDs). 
Lesen: Diese und jene Recherchen im Internet.
Essen & Trinken: Kalbsgulasch, Kohlrabigemüse und grobes weisses Brot zum Titschen. Dazu einen 2018er Bordeaux.
Schaffe: Planen, planen, planen. Letzte Gartenarbeiten. Ein Umzug steht an.
Gugge: „Das schweigende Klassenzimmer“. Sehr beeindruckend. Vor allem, wenn man bedenkt, dass dem Film eine wahre Begebenheit zugrunde liegt…

„Nun habe ich es von jeher geliebt, unnütze Fragen zu tun; ich wandte mich deshalb zu meinem verehrten Lehrer – (ein Schüler Einsteins, man bedenke doch ! Er brachte uns zukunftweisende Ansichten bei : wie es läppisch sei, 1 Schlips zu tragen, als ob man sich beständig des Stranges bewußt sein müßte; wie lächerlich, sich die Nase abzuduellieren; auch, daß über Parlamentsgebäuden grundsätzlich die Inschrift ‹Nanu !?› stehen sollte) zu dem also wandte ich mich eifrig, und fragte : »Kann ich das hier mitnehmen?«
Er sah auf den Titel. Runzelte die Stirn (ich wußte damals noch nicht, warum). Beblickte mich Langen. Zog ein Gesicht wie Adenauer, wenn man von Anerkennung der DDR spricht. Und sagte säuerlich »Bong.«.“
(Arno Schmidt: Begegnung mit Fouqué. In: Arno Schmidt: Bargfelder Ausgabe, Werkgruppe III. Essays und Biografisches, Bd. 3. Zürich 1995: Haffmans. S. 423).

Erinnerungen. Zimmer in WGs. Die Umzüge in Kleinbussen. Jeder hilft jedem. So war das damals. Die Clevereren liessen umziehen und erschienen erst zur nächtlichen Feier („Sorry, musste noch für Mathe pauken…“).  In den letzten fünfundzwanzig Jahren bin ich elfmal umgezogen. Auf drei Kontinenten. Dabei habe ich unter völlig unterschiedlichen Dächern ein Zuhause gefunden. Stoff für manche Geschichte.
Ich stehe auf dem Balkon in der dritten Etage. Mein Blick schweift über die Dächer einer der für meinen Geschmack schönsten Städte in diesem Land.

(Da drüben! . – . Das könnte doch… – ? Und schon sehe ich den hochaufgeschossenen Fahrschüler aus dem Südausgang des Bahnhofs treten und festen Schrittes neben den Bahnanlagen gehen. Er kommt jeden Tag mit dem Zug aus dem schlesischen Lauban.
Nach hundert Metern überquert er die Sattigstrasse nach rechts hinüber in die Lessingstrasse. Er faltet auf seiner Stirn die senkrechte Furche recht kritisch. Er weiss, was er seinem Ruf schuldig ist. Ob er seinen besten Freund treffen wird, sehe ich nicht.)

Wir machen eine kleine Pause. Magst Du was essen oder trinken?
Nö, ich geh´ mal kurz ums Viertel. Mal sehen, wie es hier rundum aussieht. Von unten.

 

Ich überquere die schmale Brücke vor dem imposanten Neisse-Viadukt. Auf dieser Brücke kann man nach rechts blickend den Bahnhof sehen. Nach links über das Viadukt ziehen sich die beiden Gleise ins polnische Land hin. Ich gehe nach rechts in die Sattigstrasse. Auch aus dieser Richtung sind es schätzungsweise nur hundert Meter bis zur Lessingstrasse.
Der Fahrschüler kam erst 1928 mit seiner Mutter und seiner älteren Schwester von Hamburg nach Lauban. Der Vater, ein Polizist, war verstorben und die Mutter entschloss sich, in ihren Geburtsort zurückzukehren. Die nächst erreichbare wünschbare Schule für den Vierzehnjährigen war die Oberrealschule diesseits der Neisse. Die besuchte er vom Dezember 1928 bis zu den erfolgreich bestandenen Prüfungen für das Abitur im März 1933. Danach nahm er von März bis September 1933 am Unterricht in der im gleichen Gebäude befindlichen Höheren Handelsschule teil.

Ich gehe in die Lessingstrasse und schaue mir die Fassade der Schule an. Geradezu trutzig steht sie da. Jugendstilelemente im Baukörper. Ich stehe vor einem Portal und frage mich, ob dies der Haupteingang sei.
Neben bremst ein Mann sein Klapprad ziemlich abrupt. Ich binde meinen Mundschutz vor und spreche den Mann an.
Darf ich Sie etwas fragen? Ich frage mich nämlich, ob dies vor etwa hundert Jahren ein Gymnasium gewesen sein könne.
Er wusste keine genauere Zahl (die Oberrealschule wurde 1913 eröffnet), meinte jedoch, es könne durchaus sein. Warum mich das interessiere…?
Wenn dem so sei, dann hätte einer meiner Lieblingsautoren… – er unterbrach mich in meiner Rede.
Arno Schmidt!?
Exakt.
Zur Zeit sind Ferien. Wenn Sie mögen können Sie mich begleiten. Ich unterrichte hier. Oben im ersten Stock hängen einige ältere Fotos. Wenn Sie möchten….
Ich nehme die Einladung dankend an.

Im ersten Stock schwingt er sich auf sein Rad und zischt durch einen langen Flur davon. Ich lichte einige alte Photographien ab. Gehe durch die langen Flure. Leider sind alle Türen zu der mächtigen Turnhalle verschlossen. Aber Arno Schmidt und Sport? Das passt nun garnicht. Die Aula finde ich in in der Kürze meiner Zeit auch nicht. Von Uwe Johnson weiss ich, dass er in der Aula seiner Schule bei entsprechenden Veranstaltungen als Conférencier aufgetreten ist.
Arno Schmidt hätte vielleicht aus Fouqué vorgelesen. Oder vom Anton Reiser. Vor einer Meute gähnender Schüler. Ich wills mir nicht vorstellen. Ebenso wenig wie den Schüler beim Hundertmeterlauf oder beim Fussballspiel draussen auf dem Hof. Dem Leser seiner Werke sind entsprechende Äusserungen wohlbekannt.

 

Umzüge. Eine neue Umgebung. Fremde Menschen. Manches wird man hinter sich lassen (müssen). Anderes und viel Neues kann man gewinnen. Das bestimmt die eigene Offenheit.

 

„25 Jahre lang hatte ich Grund zu einem absonderlichen Ärger : ich war zwar in Hamburg geboren; aber von stockschlesischen Eltern, denen das norddeutsche Wesen ein Greuel und Platt eine Barbarensprache deuchte, und die dafür gern von <schlesischen Bergen> faselten (ich erkläre diese, nur scheinbar harten, Ausdrücke noch); und mir war schon als Kind nichts lieber, als weite Ebenen, mit Haide bedeckt, Moor eingemischt, darin Kiefernwaldungen auf Sandboden; kurzum karge, menschenleere Öde.
Hier schien mir ein <Bruch> in meinem Wesen; und zwar von der Sorte, die ich garnicht schätze ! Denn wenn ich, ich mochte wollen oder nicht, <Schlesier> war, vom Oh=Thäler=weit=oh=Höhen=Typ, dann war meine instinktive übermächtige Neigung zu Flachland, Erica & Ludum Palastre <falsch>; dann war mir weiterhin (z.B. als Schriftsteller) die letzte entscheidende Identifizierung mit dieser=meiner Landschaft versagt. (Andere Dilemmen ertrug ich viel leichter, weil ich meiner Sache sicher war – etwa von meinem in Schule und Spiel geübtem Plattdeutsch wußte ich, daß es <stimmte>, verglichen mit dem, mir widerlichen, schlesischen Gemauschele, mit seinen Spielzeugdiminutiven, dem schaumig=weichlichen Gezischle kombiniert mit kindlich=werwölfigem Abergläuble; in diesem Fall hatten meine Eltern, in ihrer sinnlosen Versteifung gegen den prachtvollen Stadtstaat so offenkundig Unrecht, daß jedes Wort der <Widerlegung> verschwendete Atemluft bedeutet hätte. […]
Bis ich dann persönlich nach Schlesien kam – ich glaube, etwa 5 Mal von Hamburg aus; in den <Großen Ferien> von 1920, 22, 24, 26, 28 ? – und jenes <Riesengebirge> sah : es handelte sich um eine völlig unimpressiv=liebliche Mittelgebirgslandschaft, die ich mir den Jungenspaß machte, in der Hälfte der Zeit zu ersteigen, die meine Mutter & Schwester, weit hinten, brauchten. Der <Steinberg>? : ein nichtswürdiger klein=beleibter Hügel; Lieblingstreffpunkt von <Pärchen> und von jedem Alten am Stock mühelos innerhalb von 10 Minuten zu erreichen ! – Erleichterung überkam mich.
Und noch mehr, als ich erkannte, daß meine Eltern überhaupt gelogen hatten : sie stammten garnicht einmal aus diesen buckligen Gegenden ! Mütterlicherseits kam ich aus Tschirne (18 km südl. v. Sagan, uralter slawischer Name übrigens; von <Czerny>, schwarz : <Schwarzwasser> und >Weißwasser> heißen ja überall gern 2 Bäche); die Familie meines Vaters saß seit langem in Halbau (10 km südl. v. Sagan). Mit anderen Worten : von <schlesischen Bergen> war bei uns keine Rede; wir stammten vielmehr aus den <Lausitzen>, (und da wird Einem ja gleich wohler, wenn man so entfernt zu LESSING gehört und SCHEFER). Und das Land dort war flach ! Flach wie nur je zwischen Hamburg und Celle, zwischen Wittingen und Verden. (Es dauerte natürlich Jahre, ehe ich <dahinter-kam>; an Ort & Stelle selbst hatte ich viel zu viel mit dem Verarbeiten der Reiseeindrücke zu tun.)
Als ich dann 25 war, fiel mir endlich – als das I=Tüpfelchen, das mir noch abging, – der ältliche Band eines Meyer=Lexikons in die nachschlagenden Hände (6. Aufl., Bd.23,1912); da war, gegenüber der Seite 392 eine <Übersichtskarte der Norddeutschen Heidegebiete>; und dort, weit abgetrennt von dem gelbbraunen Haupt=Heide=Zuge von der Zuidersee bis Hela, erblickte ich tief im Binnenland eine große isolierte Haide=Insel, die Niederlausitz – und in ihr lagen sie alle, die Orte Tschirne und Halbau und Weißwasser !
:  Da war ich beruhigt.
(Reemstma, Jan Philipp u. Rauschenbach, Bernd (Hrsg.): »Wu Hi ?« Arno Schmidt in Görlitz Lauban Greiffenberg. Haffmans Verlag, Zürich, S.17f., 1986)

 

Ich wünsche allen Besuchern, Lesern und Guggern. einen ruhigen November, in dem Sie sicher wissen, wohin Sie wirklich gehören.

 

(Einige photographische Impressionen. Für die beiden abgelichteten Fotos liegt das Urheberrecht bei Herrn Robert Scholz)

 

 

 

 

 

 

Mitte Oktober gegen Abend…

Horsche: Die Lichtung des Musikalarchivs schreitet voran. Erneute Anhörungen und Aussortierungen.
Lesen: Anmerkungen über Kuhkapellen in Rheinhessen..
Essen & Trinken: Zur Nacht das frisch gebackene Walnussbrot mit reifem, sehr würzigem Brie. Dazu passte die leckere Quittenkonfitüre (siehe darunter).
Schaffe: Quitten verarbeiten und Brot backen. Ausserdem Reifen wechseln am neuen Bauer Sprint (Bj.1967).
Gugge: „Grenzland – Vom Baltikum zur Akropolis“. Eine interessante Reise in Bildern. Leider zu knapp und obendrein scheinen die (ab)wertenden Kommentare gegen osteuropäische Lebensgewohnheiten unvermeidbar. Habt Ihr vergessen, dass die Russen uns vom Joch der deutschen Nazibarbaren befreit haben ?!

 

So beiläufig habe ich erfahren, dass eine gewisse Louise Glück den Nobelpreis für Literatur erhalten hat. Den Namen habe zuvor nie gehört. Bei meiner schnellen Recherche fiel mir auf, dass bei dieser sehr sonderbaren Stockholmer Jury in der Disziplin Schreiben die USofA offensichtlich „mal wieder dran waren“. Weiss der Geier, wen die aus dem Hut zaubern würden, um bloss dem Thomas Pynchon keinen Preis zuerkennen zu müssen. Und der hötte ihn aufgrund seiner literarischen Leistungen schon längst verdient. Er wird ja auch immer wieder vorgeschlagen.

Seis drum. Ich lese seit Jahren ohnehin fast ausschliesslich Fachliteratur..

In Frau Beyers lesenswertem Bericht über die Buchemesse erfahre ich: „Denis Schenk endete seine Buchvorstellung mit den Worten „Vertrauen Sie keiner Literaturkritik, vertrauen Sie keiner Literaturkritikerin, sondern vertrauen Sie Ihrer eigenen literarischen Intelligenz, die Bücher sind dazu da, dieselbe an ihr zu schärfen.“
Wohl wahr. Mit diesen Gedanken kann man sich die meiste Prosa und Lyrik  (er)sparen. Die eigene Lebenszeit ist zu kostbar. Das meiste, was man heute an „neuerer Literatur“ liest, verschwimmt nach einem halben Jahr und spätestens zwei, drei Jahre danach ists dann vergessen. Mit diesem Wissen kaufen die Verlage ihre jeweiligen Plätze auf den Bestsellerlisten der verschiedenen Medien. Was wunderts, dass selbst wirkliche literarische Bestverkäufer heutzutage recht flott im Ramsch vermarktet werden.

Trotzdem finde ich lesen immer noch sinnvoller als, sagen wir, Dauerseriengugger zu werden oder ein Wochenende in einem Vergnügungspark zu verbringen. Oder mit einem Motorrad spasseshalber in der Landschaft die Luft zu verpesten. Nö, wer liest, geht dabei seinen Mitmenschen wenigstens nicht direkt auf den Senkel. Und eine der besseren Fluchtmöglichkeiten vor den Unbilden des Alltags ist es allemal. Es stinkt zwar nicht wie Tabak, ist weniger gefährlich als der Strassenverkehr, dennoch wohnt auch dem Lesen eine gewisse Suchtgefahr inne.

Ich weiss, wovon ich hier schreibe. Den sogenannten bürgerlichen Bildungskanon habe ich mir angelesen. Und einige der heute üblichen Listen, zum Beispiel – „1000 Bücher, die man gelesen haben muss, bevor man ins Grab versenkt wird“ – habe ich auch abgearbeitet. Die ellenlange Namensliste tut hier nichts zur Sache. Was ist davon geblieben?

Nach dem Mann ohne Eigenschaften, dem einzigen Dickroman, den ich nicht zuende gelesen habe, änderte sich meine Einstellung zur Prosa. Daneben war die Beschäftigung mit der Literaturwissenschaft schliesslich der Tritt aufs Bremspedal. Zum Glück entdeckte ich die sogenannten (deutschen) Volksbücher. So ging ich der Unterhaltungsliteratur nicht ganz verloren.
Wer einmal „Die Historie von Tristan und Isalde [sic!], herausgegeben nach dem ältesten Druck bei Anton Sorg, Augsburg, 1484, gelesen hat, der kennt nach der Lektüre im Prinzip alle Beziehungsmöglichkeiten zwischen Männern und Frauen. Alles, was danach und bis heute zu diesem Thema literarisch verarbeitet wurde, ist bestenfalls die literarische Ausarbeitung von Teilaspekten. Und seit etwa fünfzig Jahren breiten die Autoren hauptsächlich ihre eigenen Befindlichkeiten vor dem Lesepublikum aus.
Das spricht natürlich nicht gegen den Genuss der literarisch ausgefeilten, schärfsten Kutschenfahrt des 19. Jahrhunderts. Aber das Schicksal der Passagierin in der Kutsche ist in Tristan und Isalde im Grundzug schon angelegt.

Wenn Sie also Zeit und Musse haben, dann schauen Sie sich um. Im alten Diederichs Verlag sind einige Volksbücher in ansprechender Aufmachung erschienen. Tristan und Isalde, Die sieben weisen Meister, die Historia von D. Johann Fausten, dem weitbeschreyten Zauberer und Schwarzkünstlern oder die Historie von Fortunati Glückseckel und Wunschhütlein und andere. Die Reihe ist vom Verlag bedauerlicherweise nie komplettiert worden. Inzwischen sind sogar sogar wissenschaftlich kommentierte Ausgaben erhältlich.
Deren Lektüre kann Ihnen fürderhin manche Stunde ersparen, in der Sie sich mit Freunden oder Bekannten zu einem Gespräch treffen können. Zusammensitzen und miteinander sprechen. Die Lebenszeit ist kurz für lediglich vorübergehend gültige Literatur. Laut einer Berechnung Arno Schmidts schafft man zwischen seinem sechsten und seinem siebzigsten Lebensjahr ohnehin höchstens sechstausend Bücher, wenn man wöchentlich zwei Romane liest. Wer aber ist der Lage, diese Leseleistung zu erbringen?

 

Ich wünsche allen Besuchern, Lesern und Guggern, dass die zweite Welle nicht über Ihren Köpfen zusammenschlagen möge. Wählen Sie inzwischen Ihre Lektüren sorgsam aus.

 

Ich hatte ursprünglich ein ganz anderes Thema auf dem Schirm. Aber auch das Geschäft mit der Literatur verdient, dass es gelegentlich beleuchtet wird.

 

(Manche haltens für Spass. anything goes lautet die Devise.
„…Abendland, wir sind aus dir geboren, wir fahren auf deinem Narrenschiff dem Abschied entgegen…“ [Andre Heller])

 

 

Vierundvierzig Jahre später – im Jahr 31 nach der Grenzöffnung

Horsche: Gogol Bordello -Trans-Continental Hustle (2010).
Lesen: Fritz Müller-Scherz, Wim Wenders [Hrsg.]: Im Lauf der Zeit. Bild für Bild, Dialogbuch, Materialien. Frankfurt, Zweitausendeins. 1976. 334S..
Essen & Trinken: Zunehmend weniger Fleisch. Die Tierproduktion in den westlichen Ländern ist der reine Horror. Zumindest für Menschen, die genauer hinschauen und Fragen stellen.
Schaffe: Es gibt immer was zu tun. Derzeit sogar viel.
Gugge: „Im Lauf der Zeit“ von Wim Wenders…

Es war nicht der fünfundsiebzigste Geburtstag des Regisseurs Wim Wenders. Wir hatten unerwartet einige freie Tage. Diese nutzten wir, um die filmische Reise von Kamikaze (Robert) und dem King of the Road (Bruno) auf den Strassen entlang der vormaligen Grenze zwischen der DDR und der BRD nachzufahren. Wir sind Nachfahren. Über den ersten Teil unserer Reise von Lüchow nach Nordhessen habe ich im Oktober 2018 hier berichtet.

Unsere zweite Etappe verlief von der Rhön bis hinunter ins oberpfälzische Viechtach. Mit der An- und Rückreise planten wir drei Tage ein. Wir starteten frühmorgens. Wunderbares Spätsommerwetter machte die Reise zu einem Vergnügen. Wir kamen rasch voran. In der Rhön sahen wir erstmals einen inzwischen arg bedrohten Schwarzstorch auf einer Wiese stolzierend.
Das Basaltwerk. Bereits im Film war anhand der Gebäude nicht eindeutig zu erkennen, ob es sich wirklich um ein Basaltwerk handelte. Es hätte sich auch um eine Verladestation für verschiedene Gesteinsarten handeln können. Waren die Gebäude für die Filmarbeiten „stillgelegt“ worden oder wurde dort tatsächlich nicht mehr gearbeitet? Anhand unserer Recherchen und der Hilfsmittel auf der Reise, entschieden wir uns nach einer Weile, die Suche danach aufzugeben. Manche Orte sind im Verlauf von vierundvierzig Jahren so sehr verändert worden, dass sie heutzutage nicht mehr zweifelsfrei zu identifizieren sind. Wenn sie nicht schon ganz verschwunden sind. Die erste grosse Veränderung erlebten wir an der Rother Kuppe.
Zur Zeit der Dreharbeiten stand der hohe Aussichtsturm auf einem kahlen Hügel. In der Ausflugswirtschaft am Fuss des Turms erfahren wir, dass die umliegende Region zum Naturschutzgebiet erklärt worden sei, und in diesem Zuge erhebliche Aufforstungsmassnahmen vorgenommen worden seien. Und freie Blicke auf die Grenze zur DDR sind militärisch nun nicht mehr erforderlich.
Ähnliches erfahren wir ganz ungeplant am sogenannten Eisfelder Blick. Den genauen Standort einer ehemaligen US-Beobachtungshütte, dem Ort des endgültigen Abschieds von Robert und Bruno im Film, konnten wir nicht finden. Wir mussten ihm jedoch sehr nahe gewesen sein. Als wir aus einem Waldrand (BRD) traten, standen wir unversehens auf einem Kolonnenweg (DDR). Zwei aus der Erde ragende Betonquader liessen auf Fundamente ehemaliger Strom- oder Fernmeldemasten schliessen.

Auf der Fahrt von der hessischen in die bayerische Rhön wichen wir von der Fahrtroute im Film ab. Die beiden Protagonisten trennten sich. Bruno, um weiterhin seiner geplanten Route zu folgen. Er besuchte die Kinos entlang der Grenze und wartete dort nach Bedarf alte Projektoren. Robert (Kamikaze) hingegen trampte nach Ostheim, um dort seinen Vater zu sehen.
Auffallend ist, dass die Grenze, bis auf eine Ausnahme, in weiteren Verlauf des Films für den Regisseur eine eher untergeordnete Rolle zu spielen schien. Dagegen traten die persönlichen Konturen der beiden Figuren von Bruno und Robert mehr ins Rampenlicht.

Der Filmreise wurde zwar chronologisch gedreht aber bei dem Filmschnitt wurden die Handlungsorte in anderen Zeitebenen angeordnet. Wir entschieden uns aus diesem Grund, den Orten der Dreharbeiten zu folgen.
Robert traf seinen Vater, der in seiner kleinen Druckerei in Ostheim noch immer eine Zeitung verlegte und herausgab. Nun erklärt sich dem Zuschauer des Films, warum Robert, wo immer er eine Zeitung fand, diese sogleich lesen musste.
Im Film werden die beiden Orte Ostheim und Haßfurt der Handlung entsprechend zu einem Schauplatz vereint. So geht beispielsweise Robert in Hassfurt um eine Strassenecke, überquert dann einen Bahnübergang und betritt daraufhin die Druckerei seines Vaters in Ostheim. Der Haßfurter Bahnübergang ist längst durch eine mächtige Überführung ersetzt worden. Und die Schweinemetzgerei links der ehemaligen Bahnschranke wurde weitgehend rückgebaut. An ihrer Stelle steht ein kleines Restaurant. Anders als zu Beginn des Films wurden in seinem weiteren Verlauf zunehmend Aufnahmeorte zusammengeschnitten. .
In Ostheim fanden wir die Druckerei der Ostheimer Zeitung. Sie gilt als die kleinste regionale Tageszeitung Deutschlands. Wie schon in Lüchow, wo wir zur Erinnerung ein Exemplar Elbe-Jeetzel-Zeitung kauften, betraten wir das Ladenlokal für den Kauf einer Ostheimer Zeitung.

Das Filmbuch, wie immer wenn wir mit Menschen ins Gespräch kommen wollten, zur Hand, fragten wir nach der Druckerei. Unsere Überraschung war nicht gering, als wir erfuhren, dass wir mit den Eigentümern selbst sprachen. Sie erinnerten sich noch an die Dreharbeiten und wie die Druckwerkstatt für Wenders´ Vorstellungen verändert werden mussten. Unsere Spannung stieg. Herr Gunzenheimer lud uns ein, die Druckerei anzusehen. Sie hatte sich in den verflossenen Jahrzehnten nur wenig verändert. In neuere Maschinen war investiert worden, die lange Fensterfront modernisiert und einiges andere.  Zum Glück blieb dabei der alte Charme erhalten. Es war erlaubt, nach Belieben zu photographieren. Wir erkannten die Maschine, auf welcher Robert seinem Vater eine Extraausgabe gedruckt hatte. Die Bilder an den Wänden hingen noch wie ehedem. Und wir erfuhren viel Interessantes aus der Geschichte der Druckerei und von der Eigentümerfamilie.
Erfüllt und beeindruckt nahmen wir von Herrn Gunzenheimer und seiner Frau Abschied. Wir bedanken uns hiermit nochmals herzlich für das Exemplar der Extraausgabe vom 30. März 2007 zum hundertjährigen Bestehen der Ostheimer Zeitung. Versteht sich, dass in einem Bericht auf Seite 18 die Dreharbeiten von „Im Lauf der Zeit“ erwähnt werden.

Unsere nächste Station war die Tankstelle, an der Bruno und Robert dem Tankstellenbetreiber, einem Schulfreund von Robert den LKW als Pfand hinstellen. Dafür nehmen sie dessen alte 250er BMW mit Beiwagen, um nun gemeinsam zum Ort von Brunos Kindheit zu fahren. Die verbrachte er auf der Bacharacher Werth, einer Insel im Rhein am Stromkilometer 544. Diesen Abstecher unterliessen wir, denn der Mittelrhein fliesst quasi hier um die Ecke. Und diese Insel mit dem Haus darauf haben wir bereits oft passiert.

Das C-C Kino in Haßfurt. Die zuvor recherchierte Adresse stimmt nur ungefähr. Also sprachen wir eine Passantin an.

„Aber ja doch, gehen´s nur gleich hier rechts um die Ecke, da werden´s das Kino dann schon sehen.“

Wir bogen in die Amtskellergasse ein. Vor uns lagen haufenweise die Reste des vormaligen Kinos. Der Abbruch konnte erst vor kurzem erfolgt sein. Wir stiegen durch die Trümmer. Hier ein bisschen gefältelte Wandverkleidung. Dort hing noch der imposante Sicherungskasten für die Stromversorgung. Und das hier musste der Notausgang gewesen sein. Beim Verlassen des Geländes fanden wir im Schutt einige zerissene Filmschnipsel. Wir schauten uns an. Andenken. Merkwürdige Stimmung. Nichts bleibt.

Nach diesem erfüllenden ersten Tag fanden wir eine solide Unterkunft in Sesslach. Die wohlerhaltene mittelalterliche Stadt mit ihrem besonderen Flair diente bereits manchen Filmen als Kulisse. Selbst dieser Abend und das Früstück am folgenden Morgen wären eine eigene Geschichte wert.

Nach dem Früstück brachen wir auf zu einem kleinen Ort westlich von Coburg. Am Ortsrand liegt der kleine Bahnhof mit dem Güterschuppen. Der Güterschuppen, an welchem Robert einem kleinen Jungen begegnete, ist niedergelegt worden. Dort tauschte er seinen Koffer und einige Kleinigkeiten gegen das Notizheft des Jungen. Und von hier aus nahm er einen Triebwagen, mit dem die Schlussszenen des Films eingeleitet werden.
Während dieser Szenen sieht man am Bildrand Bruno in seinem Möbellastwagen auf der Landstrasse auftauchen. Während der kurzen Szenenwechsel werden sowohl den LKW als auch der Zug gezeigt, wie sie auf einen unbeschrankten Bahnübergang zufahren. Diesen Bahnübergang dokumentierten wir photographisch, wie übrigens auch alle anderen Findeorte. Dabei versuchten wir, wo immer es möglich war, den Standpunkt der Filmkamera einzunehmen.

Eine andere Station in der Nähe liessen wir aus. Die Burg-Lichtspiele in Meeder waren bereits vor vielen Jahren zu einem Supermarkt umfunktioniert worden. Als auch dieser nicht mehr rentierte, befand sich eine Videothek in den Räumen. Inzwischen ist das Gebäude abgebrannt. Ein anderer nicht auffindbarer Ort war das im Filmbuch sogenannte Abbruchkino. Daraus schleppten Bruno und Robert Teile aus dem Raum des Filmvorführers. Im Filmbuch ist dazu keine Ortsangabe vermerkt.
In Hof an der Saale fanden wir zeimlich rasch das Kino der Endszene des Films. Die Weisse-Wand-Lichtspiele in Hof. Oft waren es nur Einzelheiten an Gebäuden, die Anzahl der Fenster etwa an denen wir Orte als zum Film gehörig erkannten. In diesem Fall waren es die Eingangstüren im zurückgesetzten Portal des Hauses. Während wir noch über das Haus sprachen, mischte sich ein alter Mann in unsere Unterhaltung. Er erzählte von seinen früheren Besuchen in diesem Kino. Damit bestätigte er unsere Überlegungen. Heute befindet sich in den Räumen ein Elektrofachgeschäft.

Zwei Orte fehlten uns noch auf unserer Liste. Bei der ursprünglichen Planung wollten wir sie eigentlich auslassen, weil sie aufgrund der Entfernung fast eine dritte Etappe wert gewesen wären. Aber nun. Hier. Und wir hatten bereits so viele Orte gefunden.
Wir nahmen in Hof die Autobahn und fuhren runter nach Viechtach in der Oberpfalz. Die Park-Lichtspiele zu finden sollte einfach sein. Im Filmbuch findet sich ein weiterer Hinweis. Über dem Eingang zum Kino findet sich die Neonschrift: Ital EisCafe Mucchetto.
Die Adresse kann man im Internet erfahren. Vorort deutete zwar manches aus ein verlassenes Eiscafé aber nicht auf ein Kino. Wir sprachen Passanten an. Niemand wusste genaueres. Eine Eisdiele? Ja – aber ein Kino. Keine Erinnerungen.
Lichtblitze aus einem alten Werkstattfenster. Eine Schmiede. Ein alter Mann schweisste. Wenn die Ereignisse so lange zurückliegen, muss man ältere Menschen fragen.
Der Schmied unterbrach seine Arbeit für uns.

„Ja, da war ein Eiscafé. Das ist aber seit einiger Zeit geschlossen. Ein Kino gibts unten im Stadtzentrum.“

Dort fanden wir tatsächlich ein Kino. Neue-Park-Lichtspiele. Ein altes Gebäude. Behutsam modernisiert. Aber die Fassade passte nicht zu den Bildern im Film. Wir gingen die Strasse runter bis zur Ecke und fanden dort rasch des Rätsels Lösung. Früher befand sich der Eingang des Kinos auf der Schmalseite des Hauses. Und darüber war der Leuchtkasten Park-Lichtspiele. Und unten drunter war die Neonschrift des Ital EisCafe Mucchetto.
Im Internet eine Adresse zu recherchieren bedeutet nicht, in die Vergangenheit sehen zu können. Der alte Schmied hatte Recht. Zwischenzeitlich war das Eiscafé von Muccheto an die von uns gefundene Adresse umgezogen. Und hatte auch dort bereits wieder seine Pforten geschlossen. Nichts bleibt?

Wenige Kilometer nördlich von Viechtach liegt Bad Kötzting. Selbst jetzt am Nachmittag wirkte das Städtchen irgendwie verschlafen. Nach einer etwas merkwürdig verlaufenden Begegnung mit einer Frau fährt Bruno in seinem LKW eine enge Strasse hoch und biegt rechts ab. Dabei sieht der Zuschauer auf die Front eines Geschäftshauses. Auf dem Schriftzug an der Wand über den Schaufenstern liest man Möbel Traurig. Ein metaphorischer Bezug zu den vorausgegangenen Ereignissen im Film.
Die Strasse ist inzwischen Teil einer grosszügig angelegten Fussgängerzone. Die alten Schriftzüge sind moderneren gewichen. Der Familienname ist geblieben. Nichts bleibt dauerhaft. Aber manches währt lange und verändert sich dabei.
Im Lauf der Zeit.

Wir sind am Ende unserer beiden Reiseetappen, unseres eigenen Roadmovies vom Suchen und Finden angelangt. Auf Landstrassen haben wir 840 Kilometer zurückgelegt. Für den Film wurden 49000 Meter Negativmaterial belichtet. Die Länge des fertigen Films ist 4760 Meter lang. Unser Reiseweg war eine Kopie und doch keine Kopie des Reiseweges der beiden Filmhelden.
Wir sind wirklichen Menschen begegnet. Haben zahlreiche Gespräche geführt. Zu den sichtbaren Veränderungen in Dörfern und Kleinstädten kamen die der Landschaften hinzu. Das erfährt man entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze besonders deutlich.
Auch wir haben uns verändert. Durch viele Gespräche und Diskussionen sind unsere Horizonte geweitet worden. Wir haben auch jetzt wieder Landstriche gesehen, in denen es noch so viel zu entdecken gibt. In der von uns befahrenen Strecke hätten wir unschwer hundert interessante Museen besuchen können. Zwei Kirchenburgmuseen und das Karpfenmuseum waren dabei nicht die ausgefallensten.
Die Menschen, denen wir begegneten waren freundlich und hilfsbereit. Als sie erfuhren, was wir mit unserer Fahrt bezweckten, zeigten sie sich spontan aufgeschlossen. Es war so einfach in ein Gespräch zu kommen, dass wir uns mehr als einmal fragten, wieso wir dennoch im ganz gewöhnlichen Alltag, beim Einkaufen oder im Strassenverkehr so viel Verhärtung und Aggression erleben müssen. Auch dafür diente uns unsere Fahrt als wohlempfundener Ausgleich. Es geht also noch immer auch anders. Menschlicher.

Es steht noch nicht fest, was wir aus dem gesammelten Material, den Erinnerungen, Notizen und Photograhien machen werden. Es wird sich zeigen. Im Lauf der Zeit.

 

Ich wünsche allen Besuchern, Lesern und Guggern einen wunderbaren Herbst.

 

 

Es geht immer weiter . . .

Horsche: David Bowie – PinUps [1973], David Bowie – Aladdin Sane [30th Anniversary Edition, 2003]
Lesen: Zwischendurch ein schneller Kriminalroman. Rolf Silber: Das Leben tobt! (Eichborn, 2001). Von diesem Autor habe ich bereits früher hier im Blog ein anderes Werk vorgestellt.
Essen & Trinken:
Schaffe: Tapeten abreissen und mir dabei manches denken, vorstellen und Innendampf ablassen.
Gugge: Ich habe die alten Filme von Rainer Werner Fassbinder wieder am Haken…

Wir stehen an dem Bächlein, das ein paar hundert Meter weiter in die Selz münden wird. Eine Hornisse scheint ins Wasser gefallen zu sein. Sie zappelt mitten im Bach an der Wasseroberfläche. Wir können ihr nicht helfen. Als sie fast auf unserer Höhe ist schiesst ein Frosch unterm verbergenden Ufergras hervor. Zwei, dreimal macht er die kräftigen Hinterbeine lang. Dann schnellt seine Zunge hervor und im Nu hat er die Hornisse verschluckt.

Im Frühjahr 2018 hat mir Eddi hier im Haus noch geholfen. Ein Fachmann, der sein Handwerk aus dem ff beherrschte. Kurze Zeit später bekam er eine ungünstige Diagnose.
Ich stand samstags nachmittags am Fenster, als ein Kombi in die Seitenstrasse einbog. Er hielt vor Eddis Haus. Ich war gerade dabei, einige Einstellungen mit einem Objektiv auszuprobieren. Hielt die Kamera mal gegen das Licht, mal in schattige Bereiche. Der Kombi hatte eine merkwürdige Verkleidung im Laderaum.
Ich setzte ein Tele auf das Gehäuse. Mal sehen, was da verkauft wird in der Nachbarschaft. Ich bin nicht neugierig, allenfalls hie und da interessiert. Da hat sich jemand seinen Kombi gediegen ausstatten lassen.
Ich nahm Einstellungen vor und drückte mehrmals den Auslöser. Beim letzten Bild trugen zwei Männer einen länglichen blauen Plastiksack aus dem Hof und luden ihn in den Kombi.
Doris, seine Frau ging weiterhin mit dem kleinen uralten Hund ihren täglichen Gang. Im Sommer letzten Jahres hat sie ihr Einfamilienhaus verkauft und am Ortsrand eine Eigentumswohnung erworben. In dem Haus sind seitdem junge Leute am Schaffen. Wir haben mit Doris über ihre Veränderung gesprochen. Besonders glücklich schien sie nicht. Aber es braucht alles seine Zeit bis man sich an das Neue gewöhnt hat.
Vor zwei Wochen habe ich Doris im Vorbeifahren gesehen. Sie drehte im alten Revier ihre Runde. Der Hund schien noch altersschwächer. Vor einer Woche hörte ich, sie läge im Krankenhaus. Und gestern rann ihr Stundenglas aus. Ich werde sie auf ihrer letzten Fahrt begleiten.

Im Garten lagert viel Feuerholz. Das entdecken die Holzbienen für sich. Mit ihren mächtigen Kauwerkzeugen beissen sie sich im gesägten Holz vorwärts. Mit den Hinterbeinen kehren sie das Sägemehl aus den Gängen. Jetzt ist die Zeit der Paarung. Die weiblichen Holzbienen beissen kleine Nisthöhlen. Dort legen sie jeweils ein Ei ab und geben anschliessend einen sehr zähen Pollen dazu. Über den Winter entwickeln sich die Larven und ernähren sich von dem Pollen. Im Frühjahr frisst sich die junge Holzbiene durch das Holzstück ins Freie.
Holzbienen sind lustig zu beobachten. Sie sind überaus friedlich. Sie stechen nur im äussersten Notfall. Ursprünglich bewohnen sie Südeuropa. Mit unseren zunehmend milderen Wintern wandern sie weiter nach Norden. Im Süden Deutschland kommen sie seit etwa 20 Jahren vor. Derzeit verläuft die nördliche Grenze der Verbreitung ungefähr von Münster über Hannover nach Berlin.
Wo haben diese wunderschönen, blau schimmernden Bienen gelernt, solche exakten kreisrunden Löcher zu bohren?

 

Ich wünsche allen Besuchern, Lesern und Guggern Antworten auf ihre drängensten Fragen.

(Photograhien OoC – anklicken vergrössert)

 

 

Ansichtssachen (X)

Ein geistreicher Mensch hat in gänzlicher Einsamkeit an seinen eigenen Gedanken und Phantasien vortreffliche Unterhaltung, während von einem Stumpfen die fortwährende Abwechslung von Gesellschaften, Schauspielen, Ausfahrten und Lustbarkeiten die marternde Langeweile nicht abzuwehren vermag.

                                                                                                                                                                  Arthur Schopenhauer.